05.04.2023
Maren Papenbroock

Simon Dömer: Zwischen Radio, Podcast und moderierter Playlist

Simon Dömer

Vor meinem Interview mit Simon Dömer war ich nervös. Ich habe zwar schon viele tolle und inspirierende Leute interviewt, aber es ist immer wieder aufs Neue aufregend. Bei Simon Dömer war es vor allem aufregend, weil ich großer Fan seines Podcasts »Zum Scheitern Verurteilt« bin, den er zusammen mit Laura Larsson hostet. Eine Rezension über den Podcast findet ihr übrigens hier. Und Denni hatte Laura Larsson auch schon für den Blog interviewt und gefragt, wie es war, nach dem Erfolgspodcast »Herrengedeck« zurückzukommen.

Aber zurück zum Thema: Als ich mich vor Simon als Fan oute und ihm mitteile, dass ich etwas nervös bin, ist er fast wütend und lacht: »Nein, ich bin der, der aufgeregt sein muss.« Perfect Match also. Das Interview habe ich in erster Liste geführt, um mit ihm über seine »moderierte Playlist« namens »Simon’s Sunday« zu sprechen. Die ist aus seiner »normalen« Playlist entstanden, die er jede Woche auf Spotify zusammenstellt. Kurzerhand hatte er dann die Idee, diese Playlist zu moderieren – quasi wie bei einer Radioshow. Das kommt nicht von ungefähr, denn Simon hat u. a. als Moderator für 1LIVE, Radio Fritz oder FluxFM gearbeitet.

Das Tool, mit dem Simon Dömer arbeitet, wird von Anchor angeboten und ist somit nur auf Spotify verfügbar. Wie Simon auf die Idee gekommen ist, das Tool zu nutzen, hat er mir im Interview verraten. Außerdem haben wir über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Radio gesprochen. Aber lest selbst …

Interview mit Simon Dömer über »Simon’s Sunday«

Wie erklärst du Leuten, was »Simons Sunday« ist? 

Simon: Ich sage immer, dass das eine moderierte Playlist ist. So kann man es am einfachsten beschreiben.  

Du hast die normale Playlist an sich ja auch schon länger. Wie ist diese Idee entstanden? 

Simon: Ich habe eine Playlist aus dem Grund angefangen, weil ich früher eine Radiosendung hatte, in der ich genau so eine Musik gespielt habe. Da konnte ich all das spielen, was ich mochte. Als es die Sendung nicht mehr gab, wollte ich so etwas aber gerne weitermachen. Ich wollte nicht aufhören, mich auf einmal nicht mehr für Musik zu interessieren. Deshalb habe ich dann einfach diese reguläre Playlist gemacht, die aber in erster Linie mehr für mich ist. Das ist meine Playlist, die ich immer die ganze Woche über auf Repeat höre. Dann setze ich mich am Freitagabend hin, fange an, mir die Musik reinzuziehen und alles, was neu draußen ist und gehe nochmal alles durch, was ich sonst so mag und passen könnte. 

Wie wird dann aus der Playlist die moderierte Playlist? 

Simon: Ich fange immer am Freitagnachmittag oder -abend an. Ich höre alles durch und zuppel mir das zusammen. Im Idealfall höre ich samstags dann immer noch den ganzen Tag über die Musik von der regulären Playlist. Dann gucke ich, was zusammenpassen könnte, was nicht zu cheesy oder gerade cheesy genug ist. 

Die aktuellen Folgen sind ja alle immer gleich lang, wie schaffst du das? 

Simon: Das ist eher durch einen Zufall entstanden. Ich weiß selber gar nicht, was eine gute Länge dafür ist. Irgendwie bin ich immer auf eine Länge von 1:20 Stunde gekommen. Ich wollte nicht sagen, dass ich mich so wichtig nehme und direkt zwei Stunden daraus mache, weil ich noch nicht weiß, was die Grenze dabei ist. Aber das ist ja wie bei dem Podcast auch. 35 Minuten sind zu kurz. 1:30 Stunde ist mir dann schon wieder zu vermessen. Man muss sich da irgendwie auf sein Gefühl verlassen.

Ich habe von deiner moderierten Playlist über deinen Podcast »Zum Scheitern verurteilt«, den du mit Laura Larsson gemeinsam machst, erfahren. Ich kannte die Funktion gar nicht. Wie hast du die gefunden? 

Simon: Ich habe die eher zufällig gefunden. Ich glaube, Anchor ist vor zwei Jahren damit gestartet. Damals dachte ich, dass ich das nicht machen kann, weil es ja Konkurrenz zum Radio ist. Ich hatte den Podcast mit Laura noch nicht und noch andere Träume, was Radio angeht. Ich dachte, dass ich nichts machen kann, was dagegen schießt. Auch wenn es natürlich überhaupt gar nicht dagegen schießt, weil fast kein Radiosender diese Musik spielt.
Ich habe Anchor dann über einen Moderator von der BBC entdeckt. Der hatte früher eine Sendung, die erst im Radio und später online verfügbar war. Ich habe diese Sendung tatsächlich immer nur im Radio gehört. Das ist jetzt nicht das beste Beispiel, um dafür Werbung zu machen (lacht). Aber ich habe das bei ihm gesehen, als es das Feature in Deutschland noch nicht gab. Ich habe diese Idee seitdem immer mit mir rumgetragen und habe auch vor allen Dingen Laura damit immer wieder genervt. Laura meinte immer, ich soll’s einfach mal machen und ich war so: Wie soll die heißen, wann soll das kommen, schießt das nicht gegen Radio? Ich habe mir einfach viel zu viele Gedanken gemacht.


»Damals dachte ich, dass ich das nicht machen kann, weil es ja Konkurrenz zum Radio ist. Ich hatte den Podcast mit Laura noch nicht und noch andere Träume, was Radio angeht. Ich dachte, dass ich nichts machen kann, was dagegen schießt. Auch wenn es natürlich überhaupt gar nicht dagegen schießt, weil fast kein Radiosender diese Musik spielt.«

Simon Dömer


Die Funktion ist im Moment einfach noch sehr unbekannt. Kennst du noch andere deutsche Formate?  

Simon: Es gibt zwei, die ich auch aus dem Radio-Kontext kenne, die es aber anders nutzen. Das ist einmal ›32 Ampere‹ von Chris Guse und Totze von den Beatsteaks. Die machen quasi einen Musik-Podcast, wo es lange Wortbreaks gibt und bringen drei Tracks mit. Dann gibt es noch Ueli und Winson, die hatten früher eine Sendung bei FluxFM. ›Goldstückli‹ heißt das. Die machen das ähnlich, reden viel über Musik und hören dann in einzelne Stücke rein. Durch die ist mir dann das Feature in Erinnerung gekommen. Es gibt das, aber niemand weiß es, – außer du kennst die Leute, die es machen. 

Das ist also noch sehr nischig.  

Simon: Komplett. Und ich frage mich, bleibt es nischig? Oder ist das etwas, worauf der Fokus gelegt wird? Aber das liegt ja in der Hand von Spotify. Solange du damit nicht charten oder in die Explore-Features reinkommst, wird das ja nichts.

Wie genau funktioniert das technisch bei Anchor denn eigentlich?

Simon: Bei Anchor funktioniert alles per Drag-and-Drop. Du bist mit deiner Spotify Bibliothek verknüpft und ziehst einfach deine Wortsachen rein. Man hat sogar noch andere Features, Leute können einem zum Beispiel Voicemessages schicken. Das ist alles sehr selbsterklärend. Es ist wirklich das niederschwelligste Tool überhaupt. 

Die Detailansicht der einzelnen Folgen gibt eine Übersicht darüber, welche Songs in der Playlist zu finden sind und wie lang die einzelnen Parts sind.

Bereitest du die Sprechparts vor oder laberst du einfach drauf los? 

Simon: Ehrlich gesagt, sollte ich mich da vielleicht mal ein bisschen mehr darauf vorbereiten. Wenn ich schneide, habe ich manchmal das Gefühl, dass ich ja noch das, das und das hätte sagen können. Ich bin da wirklich noch im Findungsprozess. Als ich die erste Folge gemacht habe, habe ich mir noch ein bisschen mehr Notizen gemacht. Ich mache mir schon ein bisschen Gedanken, aber eigentlich so wie beim Podcast auch. Am Ende erzählt man meistens doch nicht das, was man sich vorher überlegt hat. 

Wie kann man sich deine Aufnahme Situation vorstellen? Hörst du dann auch wirklich die Lieder in dem Moment?  

Simon: Manchmal mache ich das tatsächlich. Es ist schon so, dass ich manchmal da sitze und mir denke, jetzt mache ich den ersten Break, den zweiten, den dritten. Meistens läuft die Musik dazu im Hintergrund. Ich versuche schon irgendwie in die Stimmung reinzukommen und liege oder sitze auf meinem Sofa (lacht).

Kannst du sehen, ob die Leute Teile skippen und nur die Musik oder nur die Sprechparts hören?   

Simon: Ja, man hat die Analytics, die man beim Podcast auch hat. Das einzige – was mir am Anfang nicht bewusst war – ist, dass Leute deine Show nur komplett hören können, wenn sie Spotify Premium haben. Ansonsten werden von den Tracks nur 30 Sekunden angespielt, was ich ehrlich gesagt nicht verstehe. Spotify könnte ja auch einfach sagen, dass man nicht skippen kann oder so. Wenn du das nutzt, können Leute, die kein Premium haben, nur 30 Sekunden hören. Das finde ich ein bisschen schade. Das ist der Preis, den man dann zahlt.  

Das heißt, die Textparts kann man komplett hören, nur die Musik nicht?   

Simon: Genau. 

Podcasts kann man ja runterladen, wie ist das bei so einer Show? Lädt man die Musik auch mit runter? 

Simon: Ich würde fast sagen ja. Also ich habe es ehrlich gesagt noch nicht ausprobiert, weil das so ähnlich ist wie beim Podcast bei mir. Ich höre das nicht noch mal, ich mache das einfach fertig und dann landet es draußen. Dann versuche ich einfach alle Gefühle, die ich dazu habe, abzustellen. Im Zweifel kommt irgendwas zurück oder es kommt nichts zurück.  

Aber du hast kein Problem mit deiner Stimme, oder? 

Simon: Nein, überhaupt nicht. Aber ich finde es komisch, wenn ich mir die moderierte Playlist von mir anhöre. Das muss ich nicht nochmal hören. Es liegt nicht daran, dass ich Probleme mit meiner Stimme habe, aber ich finde es genauso absurd, wenn ich jetzt sagen würde, sonntags ist das Erste, was ich mache, ›ZSV‹ hören und mir dann zu denken: Mein Gott, sind Laura und ich witzig. Oder danach nochmal kritisch zu sagen, Laura, das fand ich nicht gut. Ich mag es einfach, das aufzunehmen. Bei der Playlist mache ich ja selbst den Schnitt, das heißt, ich höre es dann eh schon einmal. 

Aber ich glaube, das machen auch die wenigsten Podcaster*innen, sich das nochmal anzuhören.   

Simon: Ich glaube, das wäre ein bisschen selbstverliebt. Ich habe das damals gemacht, als ich beim Radio angefangen habe und meine erste vorproduzierte Sendung im Radio lief. Die habe ich natürlich gehört und war aufgeregt und habe gedacht: ›Oh mein Gott, ich bin im Radio.‹ Aber jetzt finde ich das weird. 

Bekommst du viel Feedback zu »Simon’s Sunday«? Und wenn ja, wie sieht das aus? 

Simon: Oh ja, tatsächlich. Es sind nur liebe Sachen. Ich habe auch ein paar Menschen in meiner Familie, die dann zum Beispiel nur die Wortbreaks hören, weil denen die Musik zu melancholisch ist. Die schönste Nachricht, die ich bekommen habe, war: ›Simon, das ist Wellness für die Muschel.‹ Das mochte ich, weil was aus dem Podcast aufgegriffen wurde.  

Weißt du, ob deine Hörer*innen der Playlist die gleichen sind wie beim Podcast? 

Simon: Ich würde erstmal davon ausgehen, weil ›Simon’s Sunday‹ sonst nirgends beworben wurde. Du musst wissen, was du suchst, damit du es findest. Dadurch, dass wir im Podcast drüber gesprochen haben, würde ich erst mal sagen, dass es jetzt gerade am Anfang noch komplett deckungsgleich ist. 

Und wahrscheinlich über Social Media, aber das sind ja wahrscheinlich auch ähnliche Leute. 

Simon: Das war dann auch immer noch mal so die Frage, ob ich es dort teile. Es ist ja auch jetzt nicht jedermanns Musikgeschmack. Es ist bei mir auch trotzdem immer noch irgendwie Nische. Aber naja, man muss es wollen. (lacht) Ich mag es, dass man damit ja auch andere Leute ein bisschen dazu bringt, neue Musik zu entdecken. Wann macht man das schon? Man hat seine Playlisten, die man immer wieder hört. 

Du hast jetzt den Podcast, du warst beim Radio, jetzt hast du noch diese moderierte Playlist. Wie kriegst du das alles unter einen Hut? 

Simon: Ich habe schon gemerkt, dass es mit der moderierten Playlist auf alle Fälle so ist, dass ich noch einen Umgang finden muss. Dadurch, dass die sonntags kommt und freitags immer neue Musik kommt und ich natürlich auch gerne immer noch mal so was Neues mit reinpacken möchte, bin ich immer am Wochenende damit beschäftigt. Das ist gerade für Freund*innen, die nicht selbstständig sind, schwierig. Sie fragen dann: ›Hey, wir können Samstag das und das machen.‹ – ›Ja, können wir. Aber da kann ich dann vermutlich erst ab 17:00, weil ich den Tag über damit verbringe, die Playlist fertig zu machen.‹ Ich muss mir da erstmal selbst ein bisschen den Stress rausnehmen, weil es ja auch in erster Linie mein Hobby ist. Im Moment habe ich nichts – außer Spaß – daran.


»Ich liebe natürlich bei der Playlist, dass ich mich an keine einzige Radio-Regel halten muss. Beim Radio gibt es wahnsinnig viele Vorgaben. Ich muss mich bei der Playlist nicht daran halten, dass jetzt die Nachrichten oder Stauschau kommen. Das muss ich alles gar nicht im Blick haben, ich kann die Zeit genauso füllen, wie ich möchte.«

Simon Dömer


Wenn du deinen Job beim Radio betrachtest und diese moderierte Playlist gibt es ja ein paar Parallelen. Was magst du am Radio und was magst du an der moderierten Playlist? 

Simon: Radio ist etwas, was ich einfach mag, weil Leute das hören. Die Leute haben sich meistens nicht gezielt dazu entschieden, zu sagen: ›So, ich höre jetzt vier Stunden lang diese Sendung im Radio, die mit Musik und tagesaktuellen Inhalten gefüllt ist.‹ Bei der Playlist mag ich es aber besonders, weil man sich ganz bewusst dazu entschieden hat, das zu hören. Man ist absolut bereit, neue Tracks zu hören.
Ich liebe natürlich bei der Playlist, dass ich mich an keine einzige Radio-Regel halten muss. Beim Radio gibt es wahnsinnig viele Vorgaben. Alles, was Inhalt, Zeit und natürlich auch Musik angeht. Ich muss mich bei der Playlist nicht daran halten, dass jetzt die Nachrichten oder Stauschau kommen. Das muss ich alles gar nicht im Blick haben, ich kann die Zeit genauso füllen, wie ich möchte. Ich kann auch zwischendrin sagen, wir hören jetzt fünf Tracks hintereinander. Es gibt niemanden, der danach zu mir kommt und sagt: ›Naja, müssen wir nochmal drüber reden, war ein bisschen lang, wo ist der Hörer? Das hat der Hörer nicht verstanden.‹ Ich kann mich einfach von allem lösen. 

Foto von Simon Dömer: © Nils vom Lande

Maren Papenbroock

Podcasts hören und darüber schreiben? Traumjob! Maren ist Redakteurin bei Podstars by OMR, ihre Texte sind auf dem Blog und im MIXDOWN-Newsletter zu lesen.

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