16.08.2021
Tim Sohr

Communities und kühne Thesen: So funktionieren Sport-Podcasts

So funktionieren Sport-Podcasts

»Bromantiker?«

Ein kurzer Gruß, als Frage formuliert, und alle wissen Bescheid. Zumindest alle »Bromantiker«, wie sich die Fans des American-Football-Podcasts »Football Bromance« selbst nennen.

Seit dem Launch des Formats im Jahr 2019 haben die Hosts Patrick Esume und Björn Werner nicht nur den mit mehr als einer Million Abonnenten erfolgreichsten deutschsprachigen Sportpodcast sowie eine große Community geformt, sondern auch eine komplette Medienmarke geschaffen: Es gibt massenweise Merch, Fan-Events, Twitch-Shows und mit »Euro Ballers« inzwischen auch einen weiteren Podcast-Ableger der Marke, in dem sich die Hosts Kasim Edebali und Sebastian Silva Gomez in aller Ausführlichkeit und der unter Bromantikern bewährten Mischung aus Insiderwissen und »Locker Room Talk« mit der neugegründeten European League of Football beschäftigen.

Der Erfolg der »Football Bromance« ist einerseits nachvollziehbar, weil hierzulande seit spätestens Mitte der 2010er-Jahre ein massiver Hype um American Football und die NFL herrscht – inklusive Einschaltquoten, die derart hoch sind, dass sie einige Playoff-Spiele bereits bis in die Primetime von ProSieben gehievt haben.

»Sport im Radio funktioniert eigentlich nicht« – als Podcast aber schon

Andererseits handelt es sich hier immer noch um einen Sportpodcast, und Sport zum Hören galt lange Zeit als schwierig. »Sport im Radio funktioniert eigentlich nicht – abgesehen von der ARD-Bundesliga-Konferenz am Samstag«, hat Rob Szymoniak, Geschäftsführer Kreation & Produktion bei der Berliner Podcast-Agentur Podcastmania, dem Branchendienst »Horizont« einmal gesagt.

Nun ist Radio und Podcast dann doch nicht dasselbe, und im Bereich Sport wird dies besonders deutlich: In den USA hat iHeartMedia gerade mit gleich zwei spektakulären Deals aufhorchen lassen: Im Rahmen einer mehrjährigen Partnerschaft will man mit der Basketball-Profiliga NBA mehr als 20 Original-Podcasts gemeinsam produzieren. Und auch der Sportmagazin-Klassiker »Sports Illustrated« hat mit seinem Podcast-Netzwerk und Shows wie dem NBA-Talk »Open Floor« bei iHeartMedia angedockt. Dabei wurde zusammen mit der neu gegründeten Tochterfirma »Sports Illustrated Studios« vereinbart, acht Original-Titel zu produzieren. Auch die bisherigen »SI«-Podcasts sollen ab sofort über das iHeartPodcast Network laufen.

Über finanzielle Einzelheiten der beiden Deals ist bislang nichts bekannt, aber es dürfen exorbitante Summen vermutet werden, wenn man bedenkt, dass Bill Simmons erst im Frühjahr 2020 sein Podcast-Netzwerk »The Ringer« für knapp 200 Millionen US-Dollar an Spotify verkauft hat.

Weil Sport zum Hören eben doch funktionieren kann – erst recht im Rahmen der vielfältigen Möglichkeiten, die Podcasts bieten. Laut einer Erhebung des Digitalverbandes Bitkom lag Sport als Podcast-Genre noch im Jahr 2020 in der Beliebtheitsskala der Deutschen mit 43 Prozent »nur« auf Platz 3, hinter Nachrichten (53 Prozent) sowie Comedy (44 Prozent) – das mit 83 Prozent einsam führende Genre »Coronavirus« sollte in dieser Auflistung gesondert bewertet werden.

Aber es ist eben auch nicht das Sport-Label allein, welches die Popularität einzelner Shows ausmacht – sondern vielmehr die Tatsache, dass die Formate mit mehr Tiefe auftrumpfen als die herkömmliche Berichterstattung in TV oder Tageszeitung. Die »Ringer«-Shows in den USA leisten sich stundenlange Expertenanalysen der aktuellen Ereignisse in den einzelnen Profiligen. Und wenn in Deutschland ein Host wie der »Bild«-Reporter Kai Traemann im »Phrasenmäher« junge oder alte Bundesliga-Ikonen interviewt, darf das gerne auch mal zwei Stunden oder länger dauern.

Neben besagter Tiefe und Kompetenz ist es aber vor allem die persönliche Ansprache, mit der sich starke Podcast-Titel etablieren und daraus resultierend auch vermarkten lassen: Die oben erwähnten »Bromantiker« – und damit sind die Macher und die Fans gemeint – verkörpern quasi den Idealfall, welche Zugkraft sich entwickeln kann, wenn sich inhaltliches Fachwissen mit flapsigen Sprüchen und Nahbarkeit der Hosts ergänzt.

»MML« und »Football Bromance«: Viel mehr als das ursprüngliche Produkt

Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert auch »FUSSBALL MML« aus unserem Podstars-Haus: Bei Maik Nöcker, Micky Beisenherz und Lucas Vogelsang halten sich die Betrachtung der aktuellen Fußball-Ereignisse und die humorigen Sprüche der Hosts quasi die Waage. Daraus ergibt sich nicht nur eine lässige Alternative zu trockeneren Fachformaten wie »Kicker meets Dazn« ­– im Fall von »FUSSBALL MML« haben die »kühnen Thesen« des Trios sogar die Gründung einer GmbH und die fortschreitende Bildung einer Fußball-Medienmarke nach sich gezogen.

So laufen unter dem »MML«-Dach inzwischen neben der Original-Show sowohl ein Daily-Format als auch bereits etablierte Podcasts wie »Nachholspiel« oder »Der Sechzehner«. Außerdem gibt es Merch wie Shirts und Tassen sowie ein Tippspiel für die treue Community. Vergleichbar mit »Football Bromance« bietet »FUSSBALL MML« auf diese Weise eine Blaupause, wie aus einem Sport-Podcast mit der Zeit viel mehr werden kann als das ursprüngliche Produkt.

Zwar sind in Deutschland noch lange keine Summen im Umlauf wie beim »Ringer«-Deal. Aber das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass die Möglichkeiten im Bereich der Sportpodcasts trotz einer unübersichtlichen Vielzahl an Formaten noch längst nicht ausgeschöpft sind.

Das gilt insbesondere für den Bereich des Storytelling, denn eines ist klar: Der Sport lebt von großen Geschichten und Persönlichkeiten, von Mythen und Legenden, die sich um Stars, Teams und Meisterschaften ranken. Und es ist genau dieser schier unendliche Fundus an Stories – sowohl aus der Historie als auch aus der Gegenwart –, der sich für das Podcast-Genre beinahe noch besser eignet als die aktuelle Einordnung von Ereignissen, sei sie nun eher fachlich-nerdig wie in den »Ringer«-Formaten oder fachlich-flapsig wie bei den Jungs von »MML« oder »Football Bromance«.

Storytelling-Formate: Der Sport lebt von großen Geschichten

Die Beispiele für gelungenes Storytelling aus der Welt des Sports, die es auf dem Markt bislang gibt, kommen dafür umso beeindruckender daher: Der Doku-Reihe »30 for 30« aus der Schmiede des Sportsenders ESPN ist der Sprung vom Fernsehformat zu einem Podcast gelungen, in dem zahlreiche Facetten von Sportgeschichte(n) abgedeckt werden – und eben längst nicht mehr nur bezogen auf den Kosmos der US-Sportarten wie Baseball, Basketball oder Football, sondern nach internationalen Interessensmaßstäben.

Auf dem deutschen Markt muss in Sachen Sport-Storytelling unbedingt ein Projekt hervorgehoben werden: In »11 Leben« erzählt der Sportjournalist Max-Jacob Ost in einer Art Audio-Biografie entlang des Lebens von Uli Hoeneß wie nebenher auch die deutsche Fußballgeschichte der letzten 60 Jahre nach. Das Meisterstück wurde gerade erst völlig zu Recht mit dem Deutschen Podcast Preis für das »beste Skript« ausgezeichnet.

Osts Erfolg zeigt eindrucksvoll auf, wie weit sich die erzählerischen Grenzen eines Sport-Podcasts stecken lassen. Damit liefert er gleichzeitig einen spannenden Ausblick in die Zukunft, denn bislang steht er mit »11Leben« auf dem deutschen Markt noch ziemlich allein da. Aber das ambitionierte und aufwendige Projekt sollte zu gut und vor allem zu erfolgreich sein, um nicht den Ehrgeiz anderer Creator:innen geweckt zu haben.

Und das ist gut so und wichtig. Denn: »Sport zum Hören funktioniert nicht« – das stimmt nicht mehr zwangsläufig.

Tim Sohr

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