01.02.2024
Maren Papenbroock

»TRUE LOVE«: Leonie Bartsch & Linn Schütze über wahre Liebesgeschichten

True Love Vom Podcast gelernt

Ich bin fasziniert von True-Crime-Podcasts. Ich liebe es, mir die Zeit zu nehmen, den mitreißenden Folgen zu lauschen. Damit bin ich definitiv nicht allein – das Genre wird unter anderem von so vielen Leuten konsumiert, weil es wahre Geschichten erzählt und wir mehr über die Taten erfahren.

Immer unter den Top 5 in den Charts der True-Crime-Podcasts findet man »MORD AUF EX« von Linn Schütze und Leonie Bartsch. Seit November 2019 erzählen sich die beiden dort wahre Kriminalfälle.

Vier Jahre später haben die beiden nicht nur ein neues Podcast-Baby geboren, sondern auch ein neues Genre erschaffen: True Love. In dem gleichnamigen Podcast erzählen sie sich statt True-Crime-Geschichten wahre Liebesgeschichten.

Ich muss gestehen, dass ich am Anfang etwas skeptisch war, schließlich fehlt ja der Crime-Faktor. Aber nach ein paar Folgen war ich quasi süchtig! Die Geschichten, die sich Linn und Leo erzählen, haben bei mir für Gänsehautmomente und sogar Tränen in den Augen gesorgt – natürlich vor Glücksgefühlen.

Das Format war also prädestiniert für unsere Kategorie »Vom Podcast gelernt«. Nicht nur, weil es ein neues Genre bedient, sondern auch, weil Linn und Leo plötzlich zwei Podcasts gleichzeitig produzieren, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten.

Wie die Idee zu »TRUE LOVE« überhaupt entstanden ist, welche Parallelen es zwischen True Crime und True Love gibt und welche Folgen ihr definitiv hören solltet, haben mir Linn und Leo im Interview verraten. 

Interview mit Linn Schütze und Leonie Bartsch über den Podcast »TRUE LOVE«

In unserem Weekly Podcast-Newsletter MIXDOWN gibt es eine etwas ungewöhnliche Interview-Rubrik. Es ist kein klassisches Interview mit Frage, Antwort, Frage Antwort. Sondern die besten Sätze aus dem Interview sollen für sich stehen. Die Rubrik heißt »Vom Podcast gelernt«, für die wir Leute aus der Podcast-Branche interviewen, die Learnings aus ihren besonders erfolgreichen oder innovativen Formaten verraten. Wenn ihr Interesse an wöchentlichen, knackigen Interview habt, dann abonniert unbedingt unseren Weekly! Aber hier nun das Interview:

Linn-Schuetze-Leo-Bartsch-True-Love

Leonie Bartsch und Linn Schütze, Journalistinnen und Podcasterinnen
Gelernt vom Podcast: »TRUE LOVE«

Leo: »›TRUE LOVE‹ ist neben ›MORD AUF EX‹ unser zweiter Podcast, der auch Geschichten behandelt, die aber im Gegensatz zu True Crime sehr viel Hoffnung bringen sollen. Es sind Liebesgeschichten jeglicher Art – das ist gar nicht so kitschig gemeint. Es muss nicht immer nur die gleiche Art von Liebe sein, es sollen Geschichten sein, die inspirieren, bei denen man im Kino sitzt und danach denkt: ›Dass das auf einer wahren Begebenheit basiert, ist wirklich unfassbar.‹ Das ist ›TRUE LOVE‹.«

Linn:»Wir haben bei der True-Crime-Recherche so beeindruckende und spannende Folgen gefunden, die aber nicht ins Genre True Crime gepasst haben.«

Leo: »Für die erste Staffel wollten wir erstmal schauen, wie viele Geschichten es gibt – und es sind sehr viele, weil man Liebe auf ganz viele unterschiedliche Arten und Weisen deuten kann. Es sind dramatische Lebensgeschichten, die es wert sind, erzählt zu werden.«

Linn: »Erstmal war die Idee, nur wahre Liebesgeschichten zu erzählen. Dann kam aber direkt der Gedanke: ›Oh Gott, kitschig, wollen wir das überhaupt?‹ Mit der Zeit haben wir dem Format unsere eigene Handschrift gegeben.«

Linn: »Liebe ist so vielfältig. Als wir angefangen haben, uns mit dem Konzept zu beschäftigen, haben wir gemerkt, dass Liebe auch Freundschaft oder Liebe zu sich selbst oder zur Familie ist oder aber auch zu einer bestimmten Leidenschaft, wie z. B. bei Frida Kahlo die Kunst.«

Leo: »Es soll eine gute Mischung sein aus großen Fällen und unbekannten Geschichten, die wir in einem Artikel entdeckt haben oder die uns sogar zugeschickt wurden.«

Leo: »Wenn man sich die Weltlage anschaut, bekommt man oft ein sehr beklemmendes Gefühl. Es fühlt sich an, als ob sich alles zum Negativen verändert. Es ist wichtig, dass wir über die Nachrichtenlage berichten, aber wir wollen die Hörerinnen und Hörer mit ›TRUE LOVE‹ in eine kleine warme Kuscheldecke hüllen, sodass sie das Negative auch mal vergessen können.«

Linn: »Als wir angefangen haben, den Podcast zu machen, dachten wir erst: ›TRUE LOVE‹ und True Crime – gegensätzlicher könnte es nicht sein. Alle Leute, die immer sagen, dass sie True Crime nicht hören wollen, können diesen Podcast hören, weil es um die Liebe und nicht um Crime geht. Aber in der Recherche haben wir gemerkt, dass sich das ganz schön ähnelt: die Erzählweise, die Höhen und Tiefen, die Dramen, die großen Gefühle. Ich glaube, der Grund, warum Leute so fasziniert von True Crime sind, ist, weil sie gerne wahre Geschichten und große Emotionen hören. Diese großen Emotionen gibt es bei ›TRUE LOVE‹ und bei True Crime. Wenn du True-Crime-Fan bist, hörst du die Geschichten gerne, aber du hörst sie auch gerne, wenn du Crime nicht hören kannst.« 

Leo: »Man kann in seine eigene Welt eintauchen: Jede ›TRUE LOVE‹-Geschichte hat genauso wie eine True-Crime-Geschichte ein eigenständiges Thema und hangelt sich an der Geschichte von einer Protagonistin oder einem Protagonisten entlang. Nur dass bei ›TRUE LOVE‹ öfter mal ein Happy End dabei ist.«

Linn: »Die meisten Geschichten haben wir schon recherchiert, bevor wir den Podcast gestartet haben. Zwei Podcasts auf einmal zu machen, ist ein enormer Aufwand. Wir haben mittlerweile ein Team hinter uns, das wäre sonst nicht zu bewältigen.«

Leo: »Unsere Liste an Fällen ist bei ›MORD AUF EX‹ als auch bei ›TRUE LOVE‹ unendlich lang. Wir bekommen jede Woche Geschichten oder Vorschläge von bekannten Liebespaaren oder außergewöhnlichen Menschen zugeschickt, die wir alle recherchieren wollen. Uns ist es wichtig, dass wir das Storytelling perfektionieren, sodass wir jede Quelle durchforsten, alle Bücher lesen und Dokus schauen, um eine neue Erzählweise zu finden.«

Linn: »Wir haben sehr viele Geschichten für ›TRUE LOVE‹ schon vorgeschrieben, finden aber immer wieder neue, die wir auch ›kurz nochmal runterschreiben‹ wollen. Wir gehen da sehr nach unserem Herzen und entscheiden uns dann auch manchmal sehr spontan für eine Geschichte.«

Linn: »Manchmal muss man einfach kurz die Augen schließen und nachdenken, weil Liebe etwas ist, was wir alle in unserem Leben haben. Ich glaube, das hat uns bei der Auswahl geholfen, weil wir zuerst nur an die großen romantischen Geschichten gedacht haben. Aber dann merkt man auch, dass einem ja auch die eigenen Freund*innen sehr wichtig sind und man eine Art Liebe verspürt. So eine Geschichte würde ich gerne erzählen. Oder Leo hat selbst einen Hund, den sie sehr liebt. Damit war klar, dass sie eine Hunde-Liebesgeschichte erzählen wird.«

Leo: »Die ersten Reaktionen auf den Podcast kamen eher von ›MORD AUF EX‹-Fans. Aber mittlerweile bekommen wir immer öfter das Feedback, dass Leute ›TRUE LOVE‹ hören, aber True Crime nicht ertragen. Das freut mich total, weil das unser großes Ziel war: einen Podcast machen, der True-Crime-Fans interessiert, aber auch von Leuten gehört werden kann, die eher Angst vor True Crime haben.« 

Leo: »Wir haben bisher nach jeder Folge richtig viel Feedback bekommen, es kamen total schöne, rührende Nachrichten und Kommentare von Leuten, die erzählt haben, dass sie beim Hören viel geweint haben – aber vor positiven Gefühlen. Wir schauen auch, welche Geschichten welche Emotionen hervorrufen, damit wir solche Geschichten mehr schreiben und produzieren.«

Linn: »Die Community ist super positiv, was wir richtig schön finden. Aktuell ist es so, dass in den sozialen Netzwerken viel Hass existiert. Aber die True-Love-Community ist sehr liebevoll, selbst Kritik ist nett und höflich formuliert. Man hat das Gefühl, dass die Leute vielleicht durch diese Geschichten auch ein bisschen sanfter in ihren Umgangsformen sind.« 

Linn: »Es freut uns, wenn die Arbeit wertgeschätzt wird und man eine Community hat, mit der man in so einem engen und schönen Kontakt ist.«

Leo: »Die Anspruchshaltung ist bei einigen Hörerinnen und Hörern anders: Bei True Crime kennen viele Menschen andere True-Crime-Podcasts oder große bekannte True-Crime-Fälle. Mit ›TRUE LOVE‹ haben wir ein neues Genre auf den deutschen Podcastmarkt gebracht. Dementsprechend sind alle erst neugierig und haben noch gar keine Erwartungshaltung. Wir können gerade sowohl auf das Format, als auch auf das Genre unsere eigene Handschrift draufpacken.« 

Linn: »Wir haben uns für den Podcast ein bisschen auf dem Buchmarkt inspirieren lassen. Es gibt auf dem Buchmarkt zwei große Themen: Crime und Liebe. Ein Mitglied aus unserem Team, der aus dem Verlag kommt, meinte dann: ›Wie kann es eigentlich sein, dass es keinen Podcast zu Liebe gibt, in dem es nicht um Dating geht?‹«

Leo: »Von der Idee bis zur Veröffentlichung war es fast ein Jahr. Ich hatte direkt Panik, weil wir natürlich die ersten auf dem Markt damit sein wollen, weil wir natürlich auch stolz sind, dass das so noch nicht existiert.«

Leo: »Für mich ist es eine große Herausforderung, dass ich alle Zielgruppen ansprechen möchte. Es soll kein Podcast nur für Verliebte oder Menschen in glücklichen Beziehungen sein. Natürlich kann er auch Singles inspirieren, die gar nicht so happy sind über ihre Situation. Ich will den Podcast gerne so halten, dass er alle anspricht, unabhängig vom Beziehungsstatus und der sexuellen Orientierung.«

Linn: »Eine Challenge ist auf jeden Fall der Produktionsaufwand, der sich mit ›TRUE LOVE‹ verdoppelt hat. ›TRUE LOVE‹ ist von der Produktion, Musik und vom Sound noch aufwändiger als ›MORD AUF EX‹. Da sitzt unser Cutter doppelt so lange dran. Das muss man zeitlich alles mit einberechnen.« 

Leo: »Ich habe etwas durch die Recherche gelernt: Da wir drei Jahre lang True-Crime-Recherchen geschrieben haben, ist man teilweise sehr in diesem Trott gefangen. Man kannte schon viele Schicksalsschläge, hat viele Geschichten erzählt, die einem sehr nahe gegangen sind und einen auch traurig gemacht oder schlaflose Nächte beschert haben. Bei ›TRUE LOVE‹ merke ich gerade, dass es meine Empathie steigert. Ich habe mehr Mitgefühl für andere Liebesgeschichten und weine total viel – aber vor Freude. Ich habe wirklich schöne Gefühle – nicht, dass ich die nie hätte – aber jede Recherche ist wie eine eigene kleine Reise.«

Linn:»Ich habe am Anfang immer gesagt ›Ihh Liebe, bloß nicht zu kitschig sein‹, habe aber jetzt gemerkt, dass das Bullshit ist. Wir müssen uns manchmal auch mit schönen Themen beschäftigen, weil es das Leben ein bisschen besser macht. Das können wir alle gut gebrauchen.« 

Linn: »Man merkt durch diese Produktionen, dass es viel bringt, wenn man sich überlegt, welche Geschichten die Leute gerne hören wollen. Ich glaube, das macht einen guten Podcast aus. Das ist auch der Grund, warum das Format gut funktioniert: Es sind gute Geschichten. Da sieht man, dass man auch auf dem Podcastmarkt, der manchmal etwas voll wirkt, neue Formate etablieren kann.«

Leo: »Die Rubrik ›Liebe ist‹ hatten wir uns ursprünglich ausgedacht, weil wir es schön fanden, auch andere Leute in dem Podcast zu Wort kommen zu lassen. Auch, weil Liebe ja für jeden unterschiedlich ist und wir es interessant fanden, eine Bandbreite an Definitionen zu bekommen. Deshalb geben wir das Schlusswort an andere Leute ab.«

Linn: »Wir wollten dem Podcast einen guten Start geben und habe uns überlegt, verschiedenen Freund*innen und Bekannten aus der Medienbranche ein Paket zu schicken. Wir haben im Team lange überlegt, worüber wir selbst uns freuen würden. Wir haben zum Beispiel Caps verschickt, die super angekommen sind. Das ist total schön, wenn man merkt, dass es Produkte sind, die Leute gerne mögen und dadurch auch Werbung machen. Es ist natürlich niemand verpflichtet, den Podcast zu bewerben. Ich finde, dass das die schönste Form des Marketings ist. Ich mag es, dass man sich in der Podcastbranche so unterstützt.«

Linn: »Es kamen natürlich auch direkt Fragen zu einer Tour. Leo und ich müssen mal schauen, wie wir das alles gemanagt bekommen, weil sich der zeitliche Aufwand jetzt verdoppelt hat.«

Linn: »Ich tendiere immer dazu, dass immer meine aktuelle Folge meine liebste ist. Ich habe mich richtig in Frida Kahlo verliebt, deshalb ist das aktuell meine Lieblingsfolge. Die Geschichte ist eigentlich nur tragisch, aber irgendwie hat diese Frau es geschafft, diese ganzen Schmerzen in Schönheit umzuwandeln. Wir alle waren schon mal an Punkten in unserem Leben, in denen gerade alles schrecklich wirkte. Eine Frau zu sehen, die sich da so herauskämpft und auf sich selber beruft, ist so inspirierend und gibt viel Kraft.« Leo: »Ich fand es cool, weil in der Folge eine ganz neue Welt aufgemacht wird. Es geht dabei auch um die Liebe zu Kunst.«

Leo: »Meine Lieblingsfolge ist die zweite über Saroo. Ich messe das immer daran, welche Geschichte mich nachhaltig am meisten inspiriert hat, an die ich am meisten noch denke und bei der ich ehrlich gesagt am meisten geheult habe. Ich saß an der Recherche und mir sind Tränen die ganze Zeit über die Wangen gelaufen. Linn und ich mussten in der Folge 30-mal neu ansetzen. Das ist eine ganz tolle Geschichte.«

Leo: »Wir neigen auch sehr zu Superlativen: ›Das ist die absurdeste, schönste oder tollste Geschichte!‹ Frag’ uns in einem Jahr nochmal nach unserer Lieblingsfolge, dann sag’ ich vielleicht: ›Wer war Saroo?!‹«

Foto von Linn Schütze und Leonie Bartsch: © Auf Ex Productions/Benedikt Müller

Neue Folgen von »TRUE LOVE« erscheinen jeden zweiten Donnerstag

Maren Papenbroock

Podcasts hören und darüber schreiben? Traumjob! Maren ist Redakteurin bei Podstars by OMR, ihre Texte sind auf dem Blog und im MIXDOWN-Newsletter zu lesen.

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