02.01.2024
Maren Papenbroock

Podcast mit Ariana Baborie: »Mom & Dadjokes« – Wie man ein Tabuthema in einen Podcast verpackt

VOM-PODCAST-GELERNT-Mom-and-Dadjokes

Kinder kriegen ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr. 

Na ja, nicht ganz. Die Realität sieht dann doch etwas anders aus. Eins von zehn Paaren ist in Deutschland nämlich ungewollt kinderlos. Eins davon sind Ariana Baborie und ihr Freund Bene Herzberg. Vor zweieinhalb Jahren wollten die beiden mit der Familienplanung starten und mussten schnell feststellen, dass das gar nicht so einfach ist wie gedacht. Und weil die beiden wussten, dass sie mit dem Thema nicht alleine sind, haben sie ihren Weg in Form von einem Podcast dokumentiert. Und geboren war »Mom & Dadjokes«: von den Schwierigkeiten, Stuhlproben effizient aufzufangen (die Folge habe ich beim Einkaufen gehört), über selbstgesetzte Hormonspritzen im Backstage bis hin zu der Frage, welche Filmauswahl läuft, wenn man eine Spermaprobe abgibt (und die beim Kochen).

Vor zweieinhalb Jahren haben die beiden mit den Aufnahmen gestartet, veröffentlicht wurde die erste Folge aber erst im November 2023. Spannend, dachte ich mir! Und perfekt für unsere Rubrik »Vom Podcast gelernt«.

Also haben wir uns virtuell getroffen und Ariana und Bene haben mir erzählt, wieso jetzt der richtige Moment war, den Podcast zu veröffentlichen, warum der Podcast für sie eine Art Therapiegespräch ist und was ihr Hund Balu mit der ganzen Sache zu tun hat. Aber lest selbst … 

Interview mit Ariana Baborie und Bene Herzberg über den Podcast »Mom & Dadjokes«

In unserem Weekly Podcast-Newsletter MIXDOWN gibt es eine etwas ungewöhnliche Interview-Rubrik. Es ist kein klassisches Interview mit Frage, Antwort, Frage Antwort. Sondern die besten Sätze aus dem Interview sollen für sich stehen. Die Rubrik heißt »Vom Podcast gelernt«, für die wir Leute aus der Podcast-Branche interviewen, die Learnings aus ihren besonders erfolgreichen oder innovativen Formaten verraten. Wenn ihr Interesse an wöchentlichen, knackigen Interview habt, dann abonniert unbedingt unseren Weekly! Aber hier nun das Interview:

Ariana-Baborie-Bene-Herzberg

Bene Herzberg, Head of Marketing bei Standert Bicycles und Podcaster & Ariana Baborie, Moderatorin und Podcasterin
Gelernt vom Podcast »Mom & Dadjokes«

Ariana: »Wir sind vor zweieinhalb Jahren hoch motiviert und positiv an die Familienplanung gegangen und dachten, dass das ja nicht so schwer sein kann. Wir mussten dann bald feststellen, dass es sehr schwierig sein kann. In dieser Zeit haben wir uns oft alleine gelassen gefühlt und hatten viele Fragen. Wir wollten nicht nur Tipps und Informationen von Ärzt*innen bekommen, sondern auch von Leuten, die in einer ähnlichen Situation stecken. Außer sehr traurigen Dokus mit melancholischer Piano-Musik und Ratgebern mit Störchen gab es aber nichts.« Bene: »Alles, was wir vorgefunden haben, war wenig motivierend. Diese Dokus enden oft damit, dass es nicht geklappt hat und das Paar sich trennt. Wir wissen ja nicht, wo es hingeht, aber zumindest wollen wir anderen ein bisschen Mut machen, damit Leute sehen: Das ist scheiße, das ist für euch schwierig, das ist für viele andere schwierig. Aber auf dem Weg passieren auch lustige Sachen und über die sprechen wir auch.«

Ariana: »Wir haben den Podcast zeitversetzt veröffentlicht, weil wir nicht wollten, dass in Echtzeit verfolgbar ist, an welchem Punkt wir gerade stehen. Es hätte sich komisch angefühlt, wenn Leute gewusst hätten, an welchem Tag wir zu welchem Arzt gehen oder wann wir welchen Anruf bekommen. Wir wollten den Podcast veröffentlichen, wenn es sich für uns richtig angefühlt hat. Und das war jetzt.«

Bene: »Unser Konzept bestand erstmal aus demErlebten und dem Plan, es anders zu machen, als das, was es medial schon gab. Uns war ein positiver Take-away wichtig, weil das Thema schon belastend genug ist.«

Ariana: »Der Podcast ist wie ein Zeitdokument von unserem kompletten Weg. Es fühlt sich so an, als würde man sein eigenes Tagebuch lesen.«

Ariana: »Ich habe lange gewartet, bis ich öffentlich das erste Mal über das Kinderwunschthema geredet habe, wahrscheinlich weil es ein Tabuthema ist. Man muss nicht über alles in der Öffentlichkeit reden, aber ich kann mir vorstellen, dass das unterbewusst für mich mit Versagen und Unfähigkeit behaftet war. Irgendwann war das Thema bei uns so präsent, dass es sich angefühlt hat, als würde ich einen großen Teil meines Lebens verschweigen oder leugnen. Es hat sich angefühlt, als ob ich einen Freund hätte und die ganze Zeit so tue, als wäre ich Single. Öffentlich darüber zu sprechen, hat mir geholfen und mich befreit.« Bene: »Durch dein Teilen auf Instagram haben wir gemerkt, wie positiv und groß die Resonanz war. Zu dem Zeitpunkt haben wir den Podcast schon lange aufgenommen. Das war für mich ein erstes Zeichen, dass es Leute wirklich interessieren könnte.«

Ariana: »Wir wollten keinen Sach-Podcast, keine Doku oder Reportage machen. Wir wollten so über das Thema reden, wie wir auch mit Freund*innen darüber reden würden. Wir sind sehr humorvolle Menschen – auch in ernsten Situationen. Vor kurzem ist mein Opa gestorben, er hat zu Lebzeiten immer am meisten Witze über seinen Tod gemacht. Das liegt bei uns in der Familie. Man kann manche Sachen dann besser verkraften.«

Bene: »Ich glaube, den meisten Leuten hilft es, dass wir ganz normal darüber reden können. Das ist ein Thema, mit dem super viele Leute komplett alleine sind. Niemand traut sich so richtig darüber zu reden oder sich zu öffnen, weil es so ein ›Versagensding‹ ist.«

Ariana: »Die Leute sollen sich durch unseren Podcast mitgenommen und nicht so alleine fühlen. Wenn man sich das Feedback anschaut, scheint das aufzugehen und die Leute können mit uns lachen, manchmal zwar mit Tränen in den Augen vom Weinen, aber zumindest können sie auch mal darüber lachen.«

Ariana: »Kurz bevor wir den Podcast veröffentlicht haben, hatte ich schlaflose Nächte, weil ich dachte: Ist es richtig, was wir da machen? Hören sich Leute das an und können sie was damit anfangen, wie wir darüber sprechen? Was sind wir eigentlich? Wir sind ein Laber-Podcast, aber irgendwie über ein ernstes Thema. Dann reden wir über ein ernstes Thema, aber machen ständig Witze darüber. Wer kann damit was anfangen? Ich war unfassbar überrascht und freue mich total über so viel positives Feedback. Wir werden jeden Tag mit Nachrichten überschüttet. Viele schreiben auch, dass sie den Podcast vor fünf Jahren gebraucht hätten und ihn jetzt mit ihrem Kind auf dem Arm hören und mitweinen oder lachen. Das sind die schönsten Nachrichten, weil genau das unser Wunsch war – anderen das geben, was wir selbst nicht gefunden, aber dringend gebraucht hätten.«

Bene: »Unser Ziel war es, nicht nur Kinderwunsch-Eltern mit dem Podcast anzusprechen, sondern das Thema für alle zugänglich zu machen. Das ist auch ein wichtiges Thema für Leute, die nicht betroffen sind, aber Betroffene kennen und nicht wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen.«

Ariana: »Mir schreiben auch Leute: ›Ich habe gar nichts mit dem Thema zu tun. Ich will überhaupt keine Kinder.‹ Oder: ›Das Thema ist noch nicht aktuell bei mir, aber ich höre euch trotzdem total gerne.‹ Das ist für mich schwer zu greifen, weil ich mir versuche vorzustellen, dass ich einen Podcast von zwei Leuten höre, die ich total gerne mag – aber übers Angeln. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich da dranbleiben würde. Deswegen finde ich das ein noch krasseres Lob, wenn Leute mit dem Thema gar nicht viel anfangen können.«

Bene: »Als wir angefangen haben, die Folgen aufzunehmen, hatten wir gar nicht so richtig im Kopf, dass wir da tendenziell zu sehr vielen Leuten reden. Wir haben uns einfach so als Paar hingesetzt und darüber geredet, weil es ja keinen akuten Plan gab, das zu veröffentlichen. Ich glaube, dass es deswegen auch so authentisch und intim ist, weil wir das gefühlt erstmal nur für uns gemacht haben.«

Ariana: »Wir hören uns die Folgen vor der Veröffentlichung nochmal an, weil ich sie auch selbst schneide. Das war mir wichtig, weil es so ein persönliches Thema ist. Oft müssen wir dann im Schnitt über unsere – oft sehr schlechten – Gags lachen.«

Bene: »Ich fand es witzig, unseren Plan mit dem Hund nochmal zu hören.« Ariana: »Ja, erst sagen wir: ›Wir haben schon fast überlegt, ob wir uns einen Hund holen, weil es nicht klappt. Aber das wäre ja Schwachsinn.‹ Zwei, drei Folgen später: ›Na ja, jetzt haben wir doch noch mal darüber nachgedacht und es dauert ja wirklich ewig mit dem Kind. Was ist, wenn wir dann noch ewig auf einen Hund warten müssen?‹ Und noch mal ein paar Folgen später: ›Okay, wir haben uns entschieden, einen Hund zu holen, weil es mit den Kindern nicht klappt.‹« Bene: »Und der Hund liegt jetzt seit fast anderthalb Jahren hier bei uns unterm Tisch.«

Ariana: »Für mich war die größte Herausforderung bei dem Podcast die Angst vor dem Feedback. Es hätte ja auch sein können, dass sich superviele total angegriffen oder durch unsere Gags gestört fühlen. Ich habe schon mehrere Laber-Comedy-Podcasts herausgebracht, da fragt man sich auch immer, ob die Leute damit was anfangen können, aber bei dem Thema hatte ich viele Unsicherheiten.« 

Bene: »Bei mir war die größte Herausforderung eher technischer Natur, weil ich zum Zeitpunkt der ersten Aufnahme keine Podcasterfahrung hatte. Ich weiß nicht, wie viele ›ähms‹ wir am Anfang rausschneiden mussten.«

Bene: »Wir haben durch den Podcast auch viel über die Kommunikation miteinander gelernt. Ich weiß nicht genau, ob wir sonst auch so bewusst so viel miteinander über das Thema geredet hätten. Aber der Podcast ist wirklich ein richtiger Austausch zwischen uns beiden. Da wird nicht nebenbei gekocht oder so, sondern ganz bewusst gesprochen.« Ariana: »Das ist schon fast wie ein Therapiegespräch. Wir setzen uns 40 bis 60 Minuten hin und reden darüber, an welchem Punkt wir gerade stehen und teilen unsere Gedanken.«

Bene: »Es ist in dieser Phase des Lebens superwichtig, dass sich keiner kommunikativ zurückgelassen fühlt. Das ist auch etwas, was man anderen auch mitgeben kann. Gerade, weil es auch eine superkrasse Disbalance zwischen dem Involvement der gebärenden Person und der des Partners ist. Die ganzen Alarme, Spritzen, Pillen und Arztbesuche, einfach alles! Und der Partner, der nicht gebärt, ist da so ›dabei‹. Um da nicht den Anschluss zu verlieren – informativ und emotional – muss man sich viel austauschen.«

Ariana: »Man ist ganz anders involviert, wenn man alles rund um den Podcast alleine aufzieht – von der ersten Idee über den Podcast Namen und das Konzept bis hin zur Aufnahme und dem Schnitt. Man ist nicht nur ein Rädchen im großen Getriebe. Da fließt so viel Herzblut rein und man ist so nah an dem Projekt dran, dass es keine Arbeitszeiten gibt, weil man ja will, dass es so wird, wie man sich das vorstellt.«

Bene: »Der größte Erfolg für uns ist einmal das Feedback, aber auch, dass wir es geschafft haben, mit diesem Thema in den Comedy-Charts und im Mainstream zu landen. So macht man das Thema vielen zugänglich und bricht mit dem Tabu.«

Ariana: »Ich war total überrascht, dass wir in den Charts gelandet sind. Wenn wir ehrlich sind, ist das Thema nicht sexy. Dass wir dann da so lange so weit oben sind, war ein richtig tolles Gefühl, weil es uns gezeigt hat, dass wir den richtigen Ton getroffen haben.« 

Ariana: »Wir wissen gar nicht, wie viele Folgen es insgesamt werden. Es ist kein abgeschlossenes Projekt. Wir wollten erstmal schauen, wie der Podcast angenommen wird und könnten uns auch vorstellen – wenn es irgendwann mit dem Kind klappt – daraus einen Podcast für (werdende) Eltern zu machen. Wir gucken mal, wo uns das Leben so hintreibt.«

Foto: © Seven.One Audio/Delia Baum

Mom & Dadjokes Cover

Maren Papenbroock

Podcasts hören und darüber schreiben? Traumjob! Maren ist Redakteurin bei Podstars by OMR, ihre Texte sind auf dem Blog und im MIXDOWN-Newsletter zu lesen.

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