28.04.2023
Kristina Altfator

»11KM«: Wie liefert man tägliche News mit Tiefgang?

11km Tagesschau Podcast

Knackige Daily-News-Podcasts gibt es heute wie Sand am Meer. Das macht auch total Sinn. Denn bei der Flut von Nachrichten, die uns täglich erreichen, können solche mundgerecht verpackten News und Highlights ein absoluter Game-Changer sein und dabei helfen, up to date zu bleiben. (Einige Empfehlungen findet ihr übrigens hier.)
Ein Format, das noch tiefer ins Weltgeschehen eintauchen möchte, ist »11KM: der tagesschau-Podcast«. Die Macher*innen haben sich nämlich vorgenommen, die wichtigsten Themen aus Politik, Wirtschaft, Kultur oder Sport nicht nur als snackable News-Content zu präsentieren, sondern auch die Geschichten dahinter zu erzählen – und das jeden Tag. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, täglich einen Deep Dive in ein aktuell relevantes Thema zu veröffentlichen und neue Perspektiven zu liefern. Doch wie schafft man den Spagat zwischen Aktualität und Tiefgang? Die Antwort auf diese Frage und viele weitere Learnings hat mir Victoria Michalczak, Hostin von »11KM«, im Interview verraten. 

Interview mit Victoria Michalczak über den Podcast »11KM: der tagesschau-Podcast«

In unserem Weekly Podcast-Newsletter MIXDOWN gibt es eine etwas ungewöhnliche Interview-Rubrik. Es ist kein klassisches Interview mit Frage, Antwort, Frage Antwort. Sondern die besten Sätze aus dem Interview sollen für sich stehen. Die Rubrik heißt »Vom Podcast gelernt«, für die wir Leute aus der Podcast-Branche interviewen, die Learnings aus ihren besonders erfolgreichen oder innovativen Formaten verraten.

Victoria Michalczak

Victoria Michalczak, Journalistin und Podcast Hostin
Gelernt vom Podcast »11KM: der tagesschau-Podcast«

»Wir erzählen die besten Recherchen der ARD zusammen mit denen, die sie recherchiert haben. Also mit den Journalistinnen und Journalisten aus der ARD. Nicht nur als gutes Gespräch über ein aktuelles, wichtiges Thema, sondern als Geschichte, in die wir eintauchen.«

»Der Titel ›11KM‹ bezieht sich auf elf Kilometer – in dieser Tiefe liegt nämlich der tiefste Punkt der Erde, von dem wir wissen. Und zwar im Marianengraben unter dem Meer. Und das passt total zu dieser Idee, dass man zur Tagesschau als Nachrichtenmedium, in dem wir kurze, schnelle Meldungen erfahren, hier richtig in die Tiefe eintaucht.«

»Bei der Formatentwicklung waren Entwicklungs-Redaktionen von BR und NDR beteiligt, die ein sehr gutes Auge und Ohr dafür hatten, dass genau so ein Daily-Storytelling-Format auf dem deutschen Podcast-Markt noch fehlt.«

»Unsere Lernkurve ist vor allem bei den ersten Folgen steil nach oben gegangen. Wir haben viel experimentiert und gelernt. Zum Beispiel arbeiten wir mittlerweile mit sehr klarem Wissensmanagement bei mir. Wir haben relativ früh gemerkt, dass es nicht so gut ist, wenn ich komplett informiert bin und zu tief im Thema stecke. Das wird sonst schnell zu einer Art Expert*innengespräch zwischen zwei Personen, bei dem ich dann vielleicht nicht mehr so gut reagieren kann.«

»Die Produktionsdauer der Folgen ist total unterschiedlich. Manche Folgen, die wir ganz aktuell produzieren, sollen innerhalb von einem Tag fertig werden. Normalerweise sind im Schnitt zwei Tage pro Folge angedacht. Das bedeutet aber nicht, dass diese zwei Tage chronologisch aufeinanderfolgen, sondern wir jonglieren immer mit den Themen. Ich habe also oft gleichzeitig mit verschiedenen Folgen zu tun. Manche Folgen dauern auch drei Tage oder länger, je nachdem, wie aufwendig das Thema und die Produktion sind.«

»Wir haben eine ganz besondere Konstellation bei diesem Projekt. Wir haben eine Doppelspitze der Redaktionsleitung mit Lena Gürtler beim NDR und Fumiko Lipp beim BR. Und ansonsten haben wir auch Teile der Redaktion in den beiden Städten und genauso auch Produktion in Form von Technik.« 

»Momentan ist es so, dass die Produktion sich abwechselt, also manchmal in München, manchmal in Hamburg. Es kann daher sein, dass ich in München im Studio bin, der Autor in Hamburg und der Gast in Washington ist oder irgendwo anders auf der Welt. Das funktioniert wirklich sehr dezentral, was auch irgendwie echt ein Abenteuer ist.«

»Ein krasses Learning war, dass ich nicht zu viel wissen darf. Wir haben schnell gemerkt, dass man je nach Thema und Vorwissen genau austarieren muss: Wie viel konstruiere ich gemeinsam mit einem Autor oder einer Autorin für die Folge? Bei welchen Themen sollte ich weniger tief eintauchen oder etwas vielleicht noch gar nicht wissen?« 

»Man muss auch gucken, dass ich stellvertretend für die Hörerschaft Fragen stellen und reagieren kann. Bei einer unserer Folgen ging es ja darum, dass der Gast recherchiert hat, ob ChatGPT das Abitur schafft. Und ich wusste zum Beispiel bei einzelnen Fächern noch nicht, wie das Programm da abgeschnitten hat. Bei manchen aber schon.« 

»In der Regel ist das so, dass ein*e Autor*in aus dem ›11KM‹-Team ein Vorgespräch führt und daraus ein Storyboard mit einer Dramaturgie baut. Dann besprechen wir gemeinsam: Wie erzählen wir diese Geschichte in unserem Format? Steigen wir mit einer Szene ein? Und normalerweise spreche ich dann mit den Gästen erst ganz frisch und neu über das Thema. Bei uns gibt es keine geskripteten Gespräche.«

»Wir als Redaktion gehen manchmal auf Studios oder konkrete Kolleginnen und Kollegen zu, die eine Recherche gemacht haben. Sie kommen aber auch auf uns zu, was toll ist. Es funktioniert also auf beidem Wege.« 

»Besonders cool ist es, wenn jemand uns was erzählen kann, der oder die auch vor Ort war. Das sind auch Auslandskorrespondent*innen oder Korrespondent*innen aus Regionalstudios. Und das ist ja auch eine totale Stärke der ARD.«

»Die Interviews finden oft remote statt. Aber dann und wann passiert es schon, dass man beim BR oder NDR auch mal gemeinsam in einem Studio sitzt. In solchen Fällen kann man auch mal was mitbringen und sich zusammen anschauen. Aber meistens bin ich im Studio und meine Gäste irgendwo in Deutschland oder in der Welt verteilt.«

»Die größte Herausforderung ist und bleibt, das, was wir uns da vorgenommen haben, täglich in dem Ausmaß zu leisten. Viele unserer Folgen hören sich auch wie andere Podcast-Folgen an, die ein Mal wöchentlich oder sogar noch seltener erscheinen. Und das ist natürlich ein sehr hoher Anspruch, der nicht so easy zu erfüllen ist. Aber wir geben uns alle Mühe.« 

»Unsere Folgen sind super unterschiedlich, weil auch unsere Gäste und die Themen unterschiedlich sind. Und das bedeutet auch, dass wir unterschiedliche Tonalität geben können. Unsere Karnevals-Folge klingt selbstverständlich komplett anders als die zum Holocaust Gedenktag. Und eine Kollegin, die Datenjournalistin ist, klingt total anders als eine Korrespondentin im Iran. Ich als Hostin bin da sowas wie der rote Faden und gleichzeitig haben wir eine unglaublich große Varianz.«

»Natürlich kann und darf uns jede*r hören. Wir sind für alle da, die sich gerne informieren, vielseitig interessiert sind und gerne gute Geschichten hören. Wir haben natürlich eine Zielgruppe. Tatsächlich gibt es eine Konzentration auf Menschen ab 30 aufwärts, die politisch interessiert sind, sich für viele aktuelle Themen interessieren und eben auch für Hintergründe. Und die natürlich gerne einfach eine gute Geschichte hören. Wir haben aber auch jüngere Hörer*innen.«

»Wir bekommen gutes Feedback und sind dabei, eine sehr nette Community aufzubauen. Das bedeutet nicht, dass wir nicht auch Vorschläge bekommen würden. Ich habe schon mehrfach mitbekommen, dass Leute wirklich sehr konstruktive Vorschläge machen und sagen, worüber sie in einer Folge gerne noch mehr erfahren hätten. Es gibt mittlerweile auch schon Leute, die uns wirklich treu sind und fest in ihren Tag eingebaut haben.« 

»11KM‹ war von Anfang an so angelegt, dass wir die ersten sechs Wochen exklusiv in der ARD Audiothek sind und unsere eigene Podcast-Plattform stärken. Das hat super funktioniert – und jetzt gibt es uns zusätzlich auch überall da, wo man sonst noch Podcasts hören kann.« 

»Es ist kein Ende in Sicht und wir stehen gerade erst am Anfang. Und klar wollen wir, dass es weitergeht. Für die nächsten Folgen ist zum Beispiel geplant, die Geschichte von einem Hacker zu erzählen, der erst in seinem Kinderzimmer angefangen hat zu hacken, dann total in die Illegalität rutschte und bei ganz krassen Riesen-Deals dabei war und dann zur guten Seite gewechselt ist. Und wir veröffentlichen bald auch wieder gemeinsam mit der Investigation eine ›11KM‹-Folge … darüber kann ich aber natürlich noch nicht sprechen.«

11KM Podcast Cover

Kristina Altfator

Schreibt für den Podstars Blog und MIXDOWN Newsletter über alles, was gerade in der Podcast-Welt passiert.

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