11.05.2021
Denise Fernholz

Wir haben mit Patreon über Paid Podcasts gesprochen

Ronny Krieger von Patreon

Apple und Spotify haben fast zeitgleich ihre Podcast Subscription-Modelle vorgestellt. Seitdem geht ein Raunen durch die Reihen: Kann das was werden? Es kann! Das beweist die Social-Payment-Plattform Patreon seit mittlerweile acht Jahren. Dort können Kreative ihren Fans anbieten, Unterstützer:in zu werden. Diese werden dann Patrons genannt (ja, ohne e). Die Geldbeträge, die die Patrons zahlen, können von den Kreativen selbst gewählt werden, meist in verschiedenen »Mitgliedschaftsleveln« mit unterschiedlichen Vorteilen. Für fünf Euro im Monat kann man dann zum Beispiel einfach die Projekte supporten – für zehn Euro im Monat bekommt man Zugang zu exklusiven Benefits wie Kunstwerken, Rabattcodes, Merchandise-Produkten, Videos, Mods (im Gaming-Bereich) oder eben Podcast-Episoden. Die Zahl der Podcaster:innen auf Patreon hat sich im vergangenen Jahr fast verdoppelt. 

Ich selbst kenne die Plattform seit Jahren. Der erste Podcast, den ich dort supportet habe, war »Scheitern für Anfänger«. Eine Folge davon habe ich euch mal im Episoden-Guide empfohlen. Aktuell zahle ich acht Euro pro Monat an Hazel Brugger und Thomas Spitzer. Dafür bekomme ich von den beiden Zugang zu ihrem Podcast »Good Vibes Only« sowie wöchentliche Rezepte, Zeichnungen und/oder Tipps für Städtereisen in Deutschland und Europa. Für zwölf Euro würde ich einmalig im Podcast erwähnt werden, für 36 Euro jede Woche eine Erwähnung, ich dürfte Vorschläge machen und hätte Chance auf exklusive Specials wie Backstage-Besuche oder einen Cameo-Auftritt. Das soll jetzt keine Werbung für die beiden sein – ich möchte euch nur zeigen, was alles möglich ist. 

Auf Patreon können alle Creator:innen selbst entscheiden, ob sie ihre Einnahmen öffentlich machen. Hazel und Thomas haben 3.560 Patrons, die ihnen knapp 14.200 Euro pro Monat zahlen. In Deutschland haben Podcaster:innen ihr Einkommen auf Patreon 2020 verdoppelt. In ganz Europa haben alle Creator:innen (nicht nur Podcaster:innen) auf Patreon mehr als 100 Millionen Euro verdient. Das ist eine Hausnummer. Und deswegen hatte ich Fragen. Viele Fragen. Die durfte ich netterweise Ronny Krieger, General Manager bei Patreon Europe, stellen.

Interview mit Ronny Krieger von Patreon

Warum eignet sich Patreon gerade für Podcaster:innen? 

Ronny: Das Schöne an Patreon ist, dass es sich für alle Kreativen eignet. Aber der Vorteil, den Podcaster gegenüber den meisten anderen Kreativen haben, ist einfach die Tatsache, dass sie eine sehr hohe Frequenz haben. Wenn ich Musikerin bin, mache ich einmal im Jahr, alle zwei oder vier Jahre ein Album. Als Podcaster kann ich mehrfach im Podcast und auch jede Woche immer wieder darauf hinweisen. Ähnlich ist es bei Youtubern. YouTuber und Podcaster sind deshalb in fast allen Ländern bei Patreon am erfolgreichsten.

Wie groß ist überhaupt der Anteil der Podcaster:innen unter den ganzen Creator:innen? 

Ronny: In Deutschland sind Podcasts gerade auf Rang vier beim gesamten Umsatzvolumen. Davor kommen Video Artists, Gamer und auch Visual Artists. Nun muss man aber auch dazu bedenken, Patreon ist erst seit Herbst letzten Jahres auf Deutsch verfügbar. Das heißt, unsere deutsche Podcast-Stärke hat sich noch nicht zum vollen Glanz entfalten können. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass sich das Ranking in den nächsten Monaten noch verschiebt. 

Ich hätte gedacht, dass Podcasting weiter oben ist. 

Ronny: Podcasting ist in keinem Land der Welt die Nummer eins – obwohl der erfolgreichste Creator bei Patreon ein Podcast ist. Ich darf dir leider nicht sagen, wer, weil sie es nicht selbst veröffentlicht haben. Vielleicht ist es ihnen ein bisschen unangenehm, weil sie fast eine Million im Monat machen. Beim individuellen Durchschnittseinkommen sind Podcasts auf Platz zwei in Deutschland, hinter Gaming. 

Ich bin selbst Patron von Hazel Brugger und Thomas Spitzer und hatte immer das Gefühl, dass die schon recht gut dabei sind. Gehören die schon zu den erfolgreichsten Podcaster:innen in Deutschland?

Ronny: Sie haben gerade einen großen Run, aber sind eben auch noch sehr frisch auf Patreon. Wir haben Creator, die 2014/2015 gelauncht sind und immer noch Patrons aus der Zeit haben. Graduell sind über die Zeit noch mehr dazugekommen. Deshalb ist es für jemanden wie Hazel und Thomas wahnsinnig schwer, damit in Competition zu treten, weil sie noch so frisch sind. Wir sehen aber tatsächlich den Trend, dass neue Creator jedes Jahr schneller wachsen. 

Im Fall von den beiden war es ja sogar so, dass sie ihren Patrons schon lange vor der Öffentlichkeit gesagt haben, dass das Baby da ist. Diese News ist nicht nach außen gedrungen, ist quasi in dieser Community geblieben. Beobachtet ihr das öfter, dass diese Communities so eingeschworen sind und so sehr hinter den Creator:innen stehen? 

Ronny: Das ist tatsächlich eine Geschichte, die sich gerade so im letzten Jahr massiv abgezeichnet hat. Dieser enge, intime, geschützte Austausch mit der Community wird unglaublich gewertschätzt von den Kreativen und von den Unterstützern. Über Jahre gab es immer so dieses Bestreben nach hunderttausenden oder Millionen von Likes und immer mehr Reichweite. Als dann die Pandemie eintrat, haben viele gemerkt, dass ein Unterschied besteht zwischen Followern und einer echten Community. Da haben ganz viele angefangen umzudenken und sagen jetzt: Ich mach lieber was für eine Community von 1000, 5000, 20.000 Leuten, als ständig dieses anonyme Ding zu haben. So hast du eine ganz andere Angreifbarkeit. Sie wissen: Was ich sage, ist nicht direkt publik, sondern bleibt in einem Kreis von Leuten, die ihnen wohlgesonnen sind. Das ist viel privater als auf anderen Social-Media-Plattformen.

Nehmen wir an, ich hätte einen Podcast und würde ihn gerne monetarisieren, indem ich mir von Patrons Unterstützung hole. Brauche ich unbedingt eine Community oder schafft man es auch, eine über Patreon direkt aufzubauen?

Ronny: Aktuell ist Patreon nicht als Discovery-Plattform konzipiert. Das bedeutet, wenn du gar keine Community hast, kannst du bei Patreon zwar ein Profil aufmachen, aber so wirst du keine Unterstützer bekommen. Du musst schon vorher eine Community haben. Die muss nicht mal sonderlich groß sein. Schon 20, 50 oder 100 Unterstützer, die dir jeden Monat Geld geben, können Projekte zur Realisierung bringen, oder zumindest deine Lebenskosten decken. 
Jetzt ist es allerdings so, dass viele Kreative über Jahre und immer wieder gesagt haben: Könnt ihr uns nicht darin unterstützen, weitere Patrons zu finden? Wir sind mittlerweile global so bekannt, dass ständig Leute auf unserer Homepage landen – die sind dort aber komplett verloren, weil sie keine Creators finden. Natürlich gibt es ein Suchfenster, aber man muss schon wissen, wonach man genau sucht. Deswegen hat sich Jack, unser Gründer, im letzten Jahr schweren Herzens dazu entschlossen, auf eine gewisse Art und Weise doch zur Discovery-Plattform zu werden. Aber wir wollen die Kreativen miteinbezieht, die oft schon gut miteinander vernetzt sind oder auch andere Kreative unterstützen oder gut finden. Deswegen sind wir in unserer internen Research gerade dabei herauszufinden, wie so eine Plattform aussehen kann, ohne dass sie sich parasitär anfühlt, man also nicht das Gefühl hat, wir gehen an die einzelnen Audiences ran und klauen deren Unterstützer. 

Patreon lebt ja von den Benefits, die man als Unterstützer:in bekommt. Gibt es Benefits, die besonders beliebt sind?

Ronny: Die Benefits sind genau so divers wie die Plattform an sich. Jeder macht andere Sachen und jeder schätzt an den Kreativen andere Inhalte oder Konzepte. Aber es gibt schon ein paar Klassiker: exklusive Einblicke in das Geschehen oder auch Recognitions. Ich persönlich bin Unterstützer von einem CrossFit-Podcast aus Amerika. Die haben in jeder Folge einen „Patron of the Week“. Ich bin natürlich mit meiner privaten Mailadresse angemeldet, deswegen wissen sie nicht, dass ich bei Patreon arbeite. Irgendwann im letzten Jahr hatte ich dann eine E-Mail in meinem Postfach: „Hey, you are Patron of the Week!“ Ich musste ein Formular ausfüllen, damit sie mich im Podcast vorstellen können, und ich sollte mein Lieblingsworkout verraten. Da habe ich festgestellt, wie motivierend es eigentlich ist, diese Recognition als Unterstützer zu bekommen. 
Was bei Podcasts auch immer beliebter wird, ist, dass die aktuellen Folgen auf Spotify und Co. verfügbar sind, ein Archiv der alten Folgen aber dann hinter der Paywall ist. Dadurch bekommen sie eine gewisse Wertigkeit.

Ich würde gerne nochmal auf das Thema Geld zu sprechen kommen wollen. Habt ihr Zahlen, wie viel Creator:innen im Durchschnitt pro Monat verdienen? Sowas wie 50 Dollar pro Monat oder so?

Ronny: Es sind deutlich mehr im Durchschnitt, wenn wir über Podcast reden. Ich habe die genaue Zahl, aber ich kann sie dir leider nicht sagen. Wie gesagt sind Podcasts das viertgrößte Medium, im durchschnittlichen Einkommen aber auf dem zweiten Rang. Was ich dir auch sagen kann: Das Durchschnittseinkommen von Kreativen in Deutschland ist weltweit mit am höchsten. Und es ist so ziemlich das einzige Land, in dem es mehr Unterstützer im Gesamtvolumen gibt als Kreative. Das lässt darauf schließen, dass es in Deutschland immer noch viele Kreative gibt, die das Membership-Modell noch nicht für sich entdeckt haben. Und dass deutlich mehr Menschen bereit wären, sie zu unterstützen. In Deutschland gibt es Kreative, die die sechsstellige Summe pro Monat schon geknackt haben – aber das sind nicht unbedingt Podcaster. Erfolgreiche Podcasts in Deutschland bewegen sich eher im fünfstelligen Bereich.

Jetzt haben ja auch Apple und Spotify angekündigt, dass sie ein Paid-Podcast-Modell an den Start bringen. Habt ihr da bei Patreon ein bisschen Angst bekommen – oder seid ihr vollkommen entspannt? 

Ronny: Der Grund, warum Patreon auf Memberships gesetzt hat, ist, dass Jack schon 2013 wusste, dass sie ein sehr starkes Modell sind, das für die Zukunft immer mehr Sinn machen wird. Das hat sich bewahrheitet. Uns ist vollkommen klar, dass links und rechts immer mehr Membership-Businesses aus dem Boden sprießen werden. Die Großen werden alle nachziehen – wenn sie es nicht schon tun. Es hilft sogar dabei, den Gedanken von Memberships zu promoten. Und wenn du mich persönlich fragst, ich finde es überhaupt nicht schlimm. Mich interessiert nicht, was die anderen machen. Ich lege mehr Wert drauf, dass wir unseren Job gut machen. Wir sind gerade in einer sehr guten Wachstumsphase. 
Es gibt bei uns einen Slack-Channel, in den man immer reinschauen kann, wenn man gerade ein bisschen gestresst ist oder eine nicht so tolle E-Mail gelesen hat. Der heißt „Creator Love“. Da sammeln wir die ganzen Messages von Unterstützern und Creatorn, die unsere Arbeit sehr zu schätzen wissen – vor allem jetzt während Covid. Vielen hat Patreon die Möglichkeit geboten, weiter ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. Diese einzelnen Geschichten zu lesen, ist extrem motivierend und eigentlich unser ganzer Antrieb.

Glaubst du, dass Abos und Memberships die Zukunft von Podcasting sein könnten? 

Ronny: Unbedingt. Aber es wird weiterhin beide Seiten geben. Wir sehen viele Podcasts, die in bestimmten Bereichen explizit keinen Brand oder Advertisement Revenue wollen, weil sie neutral bleiben wollen. Ich muss auch persönlich als Follower im Sportbereich gestehen, dass ich es immer so ein bisschen komisch finde, wenn irgendwelche Produkte getestet werden und dann eines davon vom Sponsor der Sendung kommt. Auch wenn sie dreimal betonen, dass das keinen Einfluss hat. Aber es gibt genug Fälle, wo beides parallel stattfindet: Patreon-Unterstützer und Ad Revenue. Memberships sind einfach ökonomisch gesehen erfolgreich und motivierend. Deshalb entdecken es immer mehr Kreative für sich. 

Du hast eben schon angesprochen, dass ihr gerade an Discovery-Möglichkeiten rumprobiert. Was gibt’s denn sonst noch für Zukunftspläne? 

Ronny: Wir werden weiter internationalisieren. In diesem Jahr ist geplant, weit über 30 zusätzliche Sprachen und etliche neue Währungen hinzuzufügen. Wir haben es schon vorher organisch erreicht, Kreative aus jedem einzelnen Land der Welt auf Patreon zu versammeln. Trotzdem wollen wir das in Zukunft proaktiv fördern und auf die Creator zugehen. Deswegen setzen wir weiter auf Produktoptimierung, auch wenn das für ein so diverses Unternehmen wie Patreon schwierig ist, weil wir keine Spezialisten für nur ein Medium sind.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich habe durch das Gespräch mit Ronny eine ganz neue Sichtweise auf Paid Podcasts bekommen und gelernt, was für eine wichtige Rolle die Community dabei spielt. Auch die Zahlen fand ich krass. Hättet ihr gedacht, dass es Podcaster:innen gibt, die fast eine Million Euro pro Monat von ihren Unterstützer:innen bekommen? Ich auch nicht!

Foto von Ronny Krieger: © Steven Lüdtke

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Denise Fernholz

Schreibt für Podstars den Podcast-Newsletter MIXDOWN und versucht, möglichst viele Fotos ihrer Katzen Polly und Coco darin unterzubringen. (Klappt meistens.)

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