Deshalb lohnt sich Podcast-Werbung fü...
Lead Generierung kann sich schnell zu einer Herausforderung entwickeln, gerade für junge...
Als ich Maria Lorenz-Bokelberg das erste Mal interviewt habe, hätte ich niemals gedacht, dass wir uns nochmal sprechen würden. Ich habe damals noch als Redakteurin für NEON gearbeitet und war großer Fan ihrer Arbeit als Produzentin und Hostin (bin ich immer noch!) – aber dass ich selbst mal in der Podcast-Branche arbeiten würde, schien unvorstellbar. Nicht, weil ich nicht gewollt hätte. Sondern weil ich nicht wusste, wie. Zwei Jahre später sitzt sie dann doch vor mir, virtuell natürlich. Und wir sprechen wieder über Podcasts. Dieses Mal aber ein bisschen spezifischer.
Ich glaube, dass durch die aktuellen Entwicklungen im Bereich Bezahl-Abos vor allem eines immer wichtiger für Podcaster*innen wird: eine Community. Etwas, das Maria mit vielen ihrer Formate geschafft hat, sei es der Popkultur-Podcast »Wiedersehen macht Freude«, kurz »WIMAF«, den sie mit ihrem Mann Nilz Bokelberg hatte, der Comedy-Laber-Podcast »Gästeliste Geisterbahn« oder der Interview-Podcast »Alles gesagt?« von der »Zeit«. Sie alle haben treue Fans. Wie kommt man dahin? Darüber haben Maria und ich gesprochen, aber auch über »Faking Hitler«, Paid Podcasts und die Zukunft des deutschen Podcast-Marktes.
Was glaubst du, wie habt ihr es geschafft, um euren Podcast »WIMAF« so eine eingeschworene Fan-Gemeinde zu schaffen?
Maria: Ich glaube, das liegt zum einen daran, wie lange es »WIMAF« schon gibt. Ich kenne das von mir selbst: Wenn mich Podcasts schon so lange begleiten, ist es wie nach Hause kommen, wenn ich ihn nach ein paar Wochen wieder höre. Oder wenn ich schlecht drauf bin. So ein Podcast kann ja auch ein Safe Space sein. Bis sowas entsteht, braucht man als Podcaster*in Ausdauer. Zum anderen liegt es natürlich auch daran, dass Nilz und ich wahnsinnig privat sind. Und mit privat meine ich jetzt nicht, dass wir unsere Kontoauszüge vorlesen, sondern dass wir einfach so sind, wie wir sind, und rumalbern. So lernen uns die Leute einfach kennen. Und ich glaube, das ist das, was dich so daran bindet.
Wir haben ein bisschen rumexperimentiert mit dem Format. Vor Corona hatten wir immer Gäste, mittlerweile machen wir es nur noch zu zweit. Wir haben aber auch thematisch einiges ausprobiert. Irgendwann haben uns die Leute geschrieben, dass es ihnen eigentlich egal ist, was wir machen, solange sie mit uns einmal die Woche ein bisschen Zeit verbringen können. Das war total schön. Wir haben »WIMAF« allerdings jetzt eingestellt, auch wenn wir es noch nicht richtig offiziell gemacht haben. Wir haben einfach gemerkt, dass wir es unfair gegenüber den Hörer*innen finden, dass wir so wischiwaschi sind. Wir werden weiterhin einen Podcast zu zweit machen, aber uns dafür ein komplett neues Konzept ausdenken und neustarten.
Das ist ja auch eigentlich das Schöne, wenn so ein Podcast noch nicht so groß ist. Ich höre auch zum Beispiel »Fest und Flauschig«, aber ich würde nie auf die Idee kommen, denen zu schreiben. Bei euch schon. Ihr seid viel nahbarer.
Maria: Da gibt es eine Distanz. Je prominenter die Moderator*innen sind, desto weniger sind sie interessiert an so einer Hin-und-Her-Kommunikation. Was natürlich verständlich ist, denn das würde komplett Überhand nehmen. Aber indem wir unserer Hörer*innen zum Beispiel auffordern, uns zu erklären, wie die sich bewegenden Gemälde bei »Harry Potter« funktionieren, bekommen sie natürlich das Gefühl, dass sie ein Teil davon sein sollen – was natürlich stimmt. Wobei die größere Anhängerschaft natürlich deutlich bei »Fest und Flauschig« liegt. Emotionale Bindung heißt also nicht unbedingt mehr Hörer*innen, sondern, dass die kleine Basis, die wir uns geschaffen haben, sehr loyal ist.
Darf ich fragen, wie viel Hörer*innen ihr so ungefähr pro Folge habt?
Maria: Die Pausen zwischendurch haben uns nicht immer gutgetan, aber unsere Basis-Hörerschaft sind 10.000. Ich werde oft gefragt, wie viele Hörer*innen man so braucht, um erfolgreich zu sein. Aber das kommt tatsächlich immer auf das Ziel an. Zwischendurch dachte ich natürlich auch mal, so ein paar Hörer*innen mehr wären nicht schlecht, damit man ein bisschen Geld verdienen kann. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass das gar nicht der Grund ist, warum wir das machen.
Nilz und ich quatschen einfach so gerne miteinander. Klar, wir sind verheiratet, wir sollten auch ohne Podcast Gründe zum Quatschen finden. Aber dieses ganz konzentrierte anderthalb Stunden sich gegenübersitzen, ohne dass jemand den Fernseher anmacht oder so, das hat schon etwas Besonderes. Wir sind die letzten zwei, zweieinhalb Jahre auf dieser Hörer*innenzahl stehengeblieben. Wir haben aber auch keine großen Aktionen gemacht oder sind auf Tour gegangen, sondern wir haben uns mit denen eingekuschelt und das war total schön.
Ich hab mich gefragt, ob ihr euch noch an den Punkt erinnern könnt, als so aus den Hörer*innen Fans geworden sind?
Maria: Als es anfing, dass ich Leute in E-Mails wiedererkannt habe. Da habe ich begriffen, dass uns Leute immer wieder hören. Am Anfang dachte ich noch, die meisten schalten wahrscheinlich wegen der Gäst*innen ein. Wir hatten schon Lars Eidinger und so. Aber die Hörer*innen sind dann auch geblieben, als die Gäste ausblieben.
Glaubst du, dass eine Community generell wichtig für einen Podcast ist?
Maria: Wenn es ein Podcast ist, der nur in eine Richtung senden oder informieren will, ist eine aktive Community nicht so wichtig. Aber für »WIMAF« oder »Gästeliste Geisterbahn« ist das sehr wichtig. Wenn wir auf Tour gehen, kommen die Leute, weil sie die Moderator*innen sehen wollen. Wir stellen alle Live-Folgen immer online, hören kann man sie auch ohne Ticket, aber die Fans kaufen trotzdem eins. Bei der »Gästeliste« machen wir nach jeder Shows Fotos mit jedem, der will. Es ist einfach unfassbar, was für Schlangen sich da bilden. Ob das jetzt tatsächlich etwas an den Hörer*innenzahlen ändert, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. Aber sowas erlaubt einem auch mal zwei Folgen zu machen, in denen man nicht so ganz auf der Höhe ist. Weil man einfach eine loyale, treue Community hat.
Gerade geht es viel um das Thema Paid Podcasts. Da ist die Frage, was Leute dazu bringt, dann wirklich Geld für etwas zu bezahlen. Ich hatte letztens ein Interview mit Ronny Krieger von Patreon geführt und er sagte, dass Patreon nicht funktioniert, wenn du keine Community hast. Das wird für Podcasts auch wichtig sein. Ich weiß nicht, ob ich für einen Nachrichten-Podcast Geld bezahlen würde. Ich habe ja gar keine emotionale Verbindung dazu.
Maria: Gerade diese Paid-Sachen sind wahnsinnig interessant für so »privatere« Podcasts, die sich schon eine Community aufgebaut haben. Eher als für Branded Podcasts. Erstens ist es bei vielen schon gelernt, über Patreon oder andere Plattformen Leute zu unterstützen. Zweitens glaube ich, dass die finanzielle Unterstützung gar nicht nur bedeutet »Ich gebe euch mein Geld, damit ihr weitermacht«, sondern »Wir haben total Bock euch zu unterstützen, um zum Teil von diesem Projekt zu sein«, weil das auf Augenhöhe stattfindet. Ich unterstütze auch ein paar YouTuber über Patreon, obwohl die wahrscheinlich stinkreich sind. Mein Geld brauchen die nicht. Aber ich mag die so gerne und die geben sich so viel Mühe, dass ich das einfach für mich machen will.
Ihr habt »WIMAF« ja quasi beerdigt. Glaubst du, dass das auch damit zu tun hat, dass Nilz und du beruflich schon so viel mit Podcasts zu tun habt?
Maria: Im Gegenteil. Genau aus diesem Grund haben wir den Podcast gemacht. Wir hatten die Idee, einen eigenen zu machen, um nicht die Lust an Podcasts zu verlieren. Um nicht zu vergessen, warum wir das eigentlich machen und was uns daran so Spaß macht.
Ich habe letztens über »Faking Hitler« nachgedacht. Es kommt mir so vor, als hätte das damals in Deutschland echt was ausgelöst. Dass vor allem Verlage dadurch erst so richtig begriffen haben, was eigentlich alles geht.
Maria: Auf jeden Fall. Das haben wir auch bei unseren Kundenanfragen gemerkt. Da gab es plötzlich ganz andere Gespräche. Und ich bin auch sehr froh, dass wir den gemacht haben und nicht jemand anderes. Es gab viele Diskussionen, weil wir eben nicht diese in Deutschland so geliebte journalistische Distanz gewahrt haben. Meiner Meinung nach haben die meisten Hörer*innen genau deswegen Spaß dran gehabt, weil diese Distanz nicht da war.
Das ist in den USA etablierter. Die Menschen haben da nicht so viel Angst vor Entertainment. In Deutschland wird Entertainment im journalistischen Bereich oft verwechselt mit Unseriösität. Deswegen gab es neben dem vielen Lob auch viel Kritik – mit der wir aber gerechnet haben. Und wir wussten genau, warum wir was wie machen. Das ist halt unser Stil. Wenn wir in Erstgesprächen merken, dass ein Kunde das so nicht machen will, dann entscheiden wir uns manchmal auch gegen die Zusammenarbeit. Wir wollen Menschen informieren, aber auch entertainen. Und mit Entertainen meine ich nicht, dass etwas lustig ist, sondern, dass man Hörer*innen emotional miteinbezieht.
Was glaubst du, fehlt dem deutschen Podcast-Markt noch?
Maria: Wenn man es auf einer ganz wirtschaftlichen Basis betrachtet, fehlt im deutschen Podcast-Markt noch ein bisschen Geld. Aber das hängt alles miteinander zusammen: Mit der Reichweite kommt mehr Geld, mit der Stabilität von Statistiken kommen mehr Sponsoren, die mehr Vertrauen haben. Damit kommt wieder mehr Geld, das in Projekte gesteckt wird. Insgesamt fehlt noch ein bisschen mehr Größe und ein bisschen mehr Selbstbewusstsein.
Ich glaube, dass wir immer noch am Anfang sind von einer potenziellen Hörerschaft, die man in Deutschland erreichen kann. Viele reden auf Panels und Konferenzen oder in Interviews so, als wären wir mit Podcasts schon fertig. Alles erreicht, wo ist jetzt das große Geld? Ich versuche immer daran zu denken, wie alt Radio ist oder Fernsehen. Oder auch das Internet. Und wie jung Podcasts als Industrie noch sind. Mit Industrie meine ich, seit wann man damit Geld verdienen kann. Das sind vielleicht drei, vier Jahre. Das ist eine Baby-Industrie! Ich denke immer so: »Leute, wartet doch mal. Da ist doch noch so viel möglich. Ganz ruhig, das passiert schon.«
Das glaube ich auch. Ab der Boomer-Generation ist da noch unglaublich viel Luft nach oben. Und auch die ganze Gen Z ist noch gar nicht erschlossen.
Maria: Und auch von denen in der Mitte hören lange noch nicht alle Podcasts. Meine Eltern zum Beispiel hören Podcasts nur, weil ich sie quasi dazu gezwungen habe. Aber die sind die größten Podcast-Fans jetzt. In der Altersgruppe ist noch ganz viel Potenzial. Und dann kommt noch dazu: Bisher sind Podcasts noch relativ ausbildungselitär, viele Podcaster*innen haben einen relativ hohen Bildungsstand. Dementsprechend reden sie natürlich in ihre eigene Blase rein. Wenn Leute sagen »Für mich gibt’s einfach keine Podcasts«, dann ist die Podcast-Community immer ganz aufgeregt: »Es gibt doch zu jedem Thema einen Podcast!« Aber es gibt nicht zu jedem Thema einen Podcast. Wenn ich durchs Fernsehen zappe, auf RTL2, Sat1 und Pro7, das meiste, was ich da sehe, gibt’s von der Zielgruppe her nicht als Podcast. Das heißt, da ist noch ein Riesenmarkt.
Ich erschrecke mich immer, wenn ich in Studien lese, wie hoch das monatliche Netto-Einkommen unter Podcast-Hörer*innen ist. Für Werbekunden natürlich super, total lukrativ. Aber dann denke ich auch immer: Was ist denn mit den ganzen Leuten unter dieser Marke? Es wird ja auch immer wieder belegt, dass die Hörer*innenschaft im Durchschnitt so einen hohen akademischen Bildungsabschluss hat. Total elitär. Alleine, wenn ich aufs Dorf fahre, wo ich herkomme und da über meinen Job rede, kennen die meisten gar keine Podcasts.
Maria: Die haben alle Smartphones und wissen theoretisch, wie das geht. Es gibt nur einfach keine Inhalte für sie. Und es gibt quasi keine Werbung für Podcasts, die sie targeted. Was viele Podcaster*innen auch vergessen, ist, dass nicht alle so sind wie sie. Wenn einen eine Woche lang irgendein Tweet krass beschäftigt hat, und dein ganzer Bekanntenkreis redet von nichts anderem, dann fährt man am Wochenende zu seinen Eltern und die wissen nicht mal, von wem man da spricht. Woher auch? Es ist ja auch total uninteressant gewesen, wenn man es neutral betrachtet.
Foto von Maria Lorenz-Bokelberg: © Patricia Haas
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