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Ich muss gestehen: Meinen ersten Fiction-Podcast habe ich erst im Mai 2021 gehört. Ich bin ein ziemliches Gewohnheitstier und bleibe meistens auf der immer gleichen Podcast-App und höre die immer gleichen Laber-Podcasts. Als FYEO dann zum ersten Geburtstag »Lynn ist nicht allein« auf allen Plattformen verfügbar gemacht hat, dachte ich: »So, Denni. Noch leichter kann man es dir nicht machen.« Also habe ich mir die erste Folge runtergeladen – und innerhalb von zwei Tagen hatte ich die ganze Staffel weggebinged. Die Story ist ein bisschen meta, weil es ein Podcast im Podcast ist: Olivia und Nika bekommen das Smartphone ihrer bei einem Autounfall verstorbenen Freundin Lynn zugespielt. Darauf befinden sich mysteriöse Sprachnachrichten, die Lynn an eine unbekannte Person geschickt hat. Also starten sie einen Podcast, um dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Der Cliffhanger der ersten Staffel war so krass, dass ich mir die FYEO-App (als es sie noch gab) runtergeladen und ein Abo abgeschlossen habe, um die zweite hören zu können. Das soll schon was heißen.
Letztes Jahr hat mich dann Gregor Schmalzried angeschrieben, weil er mich zum Podcastmarkt interviewen wollte. Da wusste ich noch nicht, dass er der Kopf hinter »Lynn ist nicht allein« ist. Also haben wir die Seiten gewechselt und ich habe ihn für unsere Rubrik »Vom Podcast gelernt« ausgefragt: Wie er auf die Idee kam, wie man so ein Drehbuch eigentlich schreibt und was er bei der Produktion gelernt hat.
Gregor Schmalzried, freier Podcast-Entwickler und Regisseur
Gelernt vom Podcast »Lynn ist nicht allein«
»Ich war schon immer fasziniert vom Medium der Sprachnachrichten – gleichzeitig kann ich mir kaum was Unheimlicheres vorstellen, als eine Sprachnachricht von einer guten Freundin anzuhören und auf einmal passiert im Hintergrund irgendein Geräusch, das ich nicht zuordnen kann. Daher kam eigentlich die Idee, einen Krimi-Podcast genau damit anzufangen.«
»Ich bin mit ›Drei Fragezeichen‹-Hörspielen aufgewachsen, aber heute gibt es einfach ein anderes Grundverständnis dafür, wie sich coole Audio-Geschichten anhören. Daher kam der Gedanke, man müsste es nicht so klingen lassen wie ein klassisches Hörspiel, sondern wie in einem Podcast. Und es musste etwas sein, das sich nur im Audio gut erzählen lässt.«
»Ich kann keinen Satz schreiben, von dem ich nicht genau weiß, wie er aussehen wird. Es gibt Leute im kreativen Bereich, die einfach drauflos schreiben und gucken, was passiert. Das hat für mich nicht funktioniert. Ich will immer sehr genau wissen: Was ist der Anfang jeder Folge? Was passiert in der Mitte? Was ist der Cliffhanger? Das hat den Vorteil, dass man eigentlich kaum eine Schreibblockade bekommen kann, weil man exakt weiß, was als nächstes zu tun ist.«
»Wir haben die kompletten Skripte geschrieben, bevor sich irgendwas in Richtung Produktion bewegt hat, damit wir zum Beispiel wussten, welche Szenen alle in der WG spielen. Da macht es einfach Sinn, dass man sie als Block produziert.«
»Wir haben bei der Produktion tatsächlich mit der ersten Szene angefangen. Das macht auch in der Story Sinn, weil die zwei Hauptfiguren das Podcasten lernen. Deswegen klingt die erste Folge auch ein klein bisschen holpriger als die späteren. Das ist gewollt und hat sich insofern ganz gut ergeben.«
»Uns war von Anfang an sehr wichtig, dass man reinhört und sich nicht sicher ist, ob es echt ist oder nicht. Wenn man zum Beispiel in eine ›Drei Fragezeichen‹-Folge reinhört, braucht man sich diese Frage nicht stellen, man hört sofort, dass es ein klassisches Hörspiel ist. Deswegen war uns bei den Schauspielerinnen wichtig, dass sie so nicht klingen, sondern als würden sie wirklich einen Podcast aufnehmen.«
»Ich hatte vorher noch kein Drehbuch geschrieben, aber viel Fiction für mich privat. Und ich habe sehr viele Radiosendungen und non-fiction Storytelling geschrieben. Als es darum ging, ›Lynn ist nicht allein‹ zu schreiben, hatte ich das Gefühl, ich habe es schon mal gemacht. Das hat aber getäuscht. Ich hatte keine Ahnung, was ich tat.«
»Letztlich geht es immer darum, Sätze zu schreiben, die die Hörerinnen dazu bringen, dass sie den nächsten Satz hören wollen.«
»Ich hatte für FYEO und Kugel und Niere ein Pitch-Paper geschrieben, eine Seite mit dem Titel, mit dem, wie ich mir die erste Folge und den Rest der Staffel vorstelle. Davon ist geblieben der Titel, die Hälfte der ersten Folge und sonst nichts. (lacht)«
»Den Pitch habe ich im Frühling 2019 abgegeben. Der intensive Kontakt mit FYEO ging im Sommer los und dann haben Alex, Christian und ich uns im Juli fünf Tage eingebunkert und die komplette erste Staffel durchgeplant. Die Skripte waren im November fertig und im Januar sind wir in Produktion gegangen, das waren zehn Tage.«
»Es gehört zum kreativen Prozess dazu, dass man immer mal wieder denkt, es ist völlig unmöglich und man müsste alles hinschmeißen. In solchen Fällen kann man eigentlich nur ein bisschen Distanz zwischen sich und die Story bringen.«
»Das hat irgendwer anders gesagt, der viel schlauer ist als ich: Der Unterschied zwischen fiktionalen und nicht-fiktionalen Geschichten ist, fiktionale Geschichten müssen Sinn machen. Im echten Leben macht vieles keinen Sinn.«
»Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Tatsache, dass wir – anders als in den USA – in Deutschland seit Jahrzehnten eine sehr starke Hörspielkultur haben, die Entwicklung von Fiction-Podcasts ironischerweise ein bisschen zurückhält. In den USA wurden sie als aufregender wahrgenommen, weil sie eine Lücke gefüllt haben.«
»Man kann sich ins Studio setzen und über Tage an einem perfekten Auto Ambiente arbeiten – oder man setzt die Schauspielerin in ein Auto. Das haben wir gemacht. Wir konnten die Orte, an denen die Serie spielt zum großen Teil wirklich besuchen. Aber das konnten wir eben nur, weil wir das Glück hatten, dass wir im Podcast einen Podcast hatten. Beim klassischen Hörspiel würde man sich fragen: Warum ist die Qualität so schlecht?«
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