17.06.2022
Maximilian Lembke

Christoph Maria Herbst in »Batman unter Toten«: »Das Kino entsteht zwischen den Kopfhörern«

Christoph Maria Herbst im Interview

Freitag in Berlin. Ein Hotelzimmer. Das Handy klingelt. Nummer unterdrückt, ich hebe ab und nenne meinen Namen: »Hallo Lembke, Herbst hier«, grüßt Christoph Maria Herbst in leichtem Singsang am anderen Ende der Leitung. Wir sind verabredet. Jeden blöden Gedanken, gleich mit Bernd Stromberg über Batman zu sprechen, verbanne ich. Christoph Maria Herbst ist mehr als das! Neben Film und Fernsehen arbeitete der Schauspieler bereits an mehreren Audio-Projekten mit. »Don’t meet your heroes«, heißt es … Na gut, dann spreche ich mit ihm eben über einen der größten Comic-Helden und dessen nicht minder ikonischen Freund und Vertrauten. 

Für den ersten weltweit adaptierte Hörspiel-Podcast »Batman Unburied« spricht Christoph Maria Herbst in der deutschen Adaption »Batman unter Toten« den Butler Alfred, den wohl engsten Vertrauten Batmans (gesprochen von Murathan Muslu). Das Projekt ist der Beginn einer groß angelegten Kooperation von Spotify und DC Comics. Weitere Comic-Adaptionen als Hörspiel-Podcasts sind geplant. Wer nun aber mit klassischem Boom-Pow oder Superhelden-Geballer à la Dark Knight Christian Bale rechnet, den wird »Batman unter Toten« direkt aus der Bahn werfen. 

Nilz Bokelberg verriet bereits meiner Kollegin Maren im Interview, dass diese Batman-Erzählung »weird« ist – also etwas schräg. Es ist düster, beklemmend, greift sich die Zuhörer*innen und lässt sie nicht los. Bruce Wayne arbeitet hier nicht als steinreicher Mäzen bei Tag und dunkler Rächer bei Nacht. In »Batman unter Toten« arbeitet er wortwörtlich unter Toten in der Pathologie. Als dieser ermittelt er im Fall eines Serienmörders, der ein Faible für menschliche Organe frönt – und scheint seine Identität als dunkler Rächer gänzlich abgelegt oder sogar vergessen zu haben … Die Stimmung gliedert sich sehr gut in die der neuesten Batman-Verfilmung »The Batman«, mit Robert Pattinson in der Hauptrolle, ein – eher Detektiv- und Kriminalthriller als Superhelden-Epos. Es ist ein düster, etwas beklemmend. Das Audio-Design ergreift einen aus dieser Dunkelheit heraus, nicht selten auch unerwartet und intensiv. 

Genug verraten. Am anderen Ende der Leitung höre ich ein paar Vögel zwitschern. Wenn Sie bereit sind, Herr Herbst, dann können wir gerne loslegen. »Ja, sehr gerne,« ich höre ihn grinsen. Ich tue es ihm gleich und los geht’s…

Interview mit Christoph Maria Herbst

Herr Herbst, wir kennen Sie ja vom Hörspiel. Jetzt gibt es mit »Batman unter Toten« ein Hörspiel als Podcast. Was waren vor diesem Projekt, mit Ausnahme von Interviews, die Sie in Podcasts gegeben haben, Ihre Berührungspunkte mit dem Medium?

Christoph Maria Herbst: Wahnsinnig viele Berührungspunkte mit Podcasts hatte ich nicht, außer dass schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt – ich glaube vor vielleicht zehn Jahren – erste Journalisten im Zuge von irgendwelchen PR-Aktionen von Filmen auf mich zukamen und von Podcasts sprachen. Und ich habe es nie richtig verstanden. Mittlerweile ist das als Medium ja überhaupt nicht mehr wegzudenken und man hat mir ehrlicherweise auch Podcasts angetragen, so nach dem Motto »Herbst spricht« oder so, dem konnte ich mich bislang aber immer galant entziehen.

Können Sie sich vorstellen, das in Zukunft mal zu machen?

CMH: Ich habe die Zeit dafür nicht. Und mittlerweile sehe ich den Podcast-Wald vor lauter Bäumen auch nicht mehr. Das ist zumindest mein subjektiver Eindruck, es gibt mittlerweile zu jedem Thema einen Podcast. Und das sollen die machen, bei denen es einfach besser aufgehoben ist. Ich höre gerne Podcasts, auf langen Fahrten im Zug oder Autofahrten. Da lade ich sie mir gerne vorher runter und höre sie dann nacheinander weg. Das ist schon eine große Bereicherung, aber ich glaube nicht, dass die Welt jetzt auch noch auf einen Podcast von Herrn Herbst wartet.

Welche Podcasts hören Sie gerne?

CMH: Ich lass mir von Spotify immer mitteilen, wenn die neueste Ausgabe von »Lanz & Precht« da ist. Da höre ich zwischendurch gerne rein. Eine Zeit lang habe ich den Podcast von Luisa Neubauer [1,5 Grad, Anm. d. Red.] verfolgt. Dann hörte ich manchmal auch Sascha Lobo. Es sind in der Regel die Themen, die uns in unserer heutigen, aktuellen Lebenswirklichkeit betreffen, die mich in Podcasts interessieren. Bei »Butter bei die Psyche«, dem Podcast von Nina Goldberg – da geht’s um psychische Probleme, Neurosen, Marotten, bis hin zu wirklich schweren Krankheiten – habe ich auf eine zweite Staffel gewartet, die aber bisher leider nicht erschienen ist, was ich immer sehr enttäuschend finde. Aber sie sehen: Ich tummle mich in diesem Becken schon.

Und jetzt ist es ein Hörspiel als Podcast. Da verschwimmen die Grenzen mittlerweile, weil Hörspiele auch als Podcast gelabelt werden. Inwiefern waren die Arbeit und Herangehensweise an dieses Projekt anders im Vergleich zu anderen Hörspielen, die Sie bisher gemacht haben? War sie überhaupt anders?

CMH: Da gab es für mich gar keinen Unterschied, auch für meine Performance als Sprecher dieser Figur spielte das keine Rolle. Es ist am Ende wurscht, weil ich ja auch immer versuche, sie mit einem gewissen Hörspiel-Charakter umzusetzen, damit auch wirklich bei den Hörerinnen und Hörer so eine Art Kopfkino entsteht.

Nilz Bokelberg sagte uns bereits im Interview, dass er weitestgehend klare Vorstellungen vom Cast gehabt hat. Hat er Ihnen mal verraten, warum die Wahl auf Sie fiel für die Rolle des Alfred?

CMH: Er hat es mir nicht gesagt. Ich war auch nicht eitel genug, um zu fragen. Ich denke mal, der hat sich das eine oder andere angeguckt, angehört, was ich gemacht hatte. Im besten Falle hat er Bock darauf gehabt, mich mal kennenzulernen und mit mir zu arbeiten. Genauso habe ich das verfolgt, was Nilz Bokelberg bisher so gemacht hat, der sich, auch mit seiner Firma, jetzt schon zu einer führenden Hörspiel- und Podcast-Persönlichkeit entwickelt hat. Zudem hörte ich, aus welchen Kolleginnen und Kollegen der restliche Cast besteht, und Nilz schickte mir die Bücher bzw. Teile der Bücher zu. Es wäre ziemlich doof gewesen, wenn ich das nicht gesprochen hätte, weil das lässt einen schon atemlos zurück. Ich fand das schon ziemlich heftig. Abgesehen davon: Es ging natürlich auch wie Öl runter, jetzt, zumindest auditiv, in einer Reihe mit Jeremy Irons und Michael Caine zu stehen.

Wie lange haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet und wie lief diese Vorbereitung ab? Hat Nilz Bokelberg Ihnen da etwas mitgegeben oder hat er Ihnen freie Hand gelassen?

CMH: Wir waren uns am Tag der Aufnahme relativ zügig einig darüber, wie wir diese Figur anlegen wollen. Zum Beispiel, dass ich dieses etwas höhere Alter als das meinige, versuche, ein bisschen mitzusprechen, ohne es zu übertreiben. Die Figur ist eine Vaterfigur für Batman, und das wollten wir schon, dass man das heraushört. Ansonsten lag die Figur für uns als Kenner der Batman-Filme quasi schon vor uns auf dem Tablett und musste von uns für dieses Hörspiel nur noch gepflückt werden. Die Vorbereitung bestand eigentlich darin, dass ich mir sehr gerne noch mal die eine oder andere Batman-Verfilmung angeguckt habe.

Nilz Bokelberg sagte uns auch, dass diese Batman Geschichte hier etwas »schräg« ist, verglichen mit dem eigentlichen Narrativ. Wie würden Sie die Geschichte »Batman unter Toten« beschreiben? Oder einordnen, auch im Vergleich zu den Filmen oder den Comics?

CMH: Ja, schräg ist schon ein guter Ausdruck. Wir kommen ganz dicht an die Figur Batman ran und auch an das, was gewesen ist. Das, was Batman zu dieser schattenhaften Figur gemacht hat, hat, das ist schon sehr, sehr gut geschrieben, muss ich sagen. Und sich dieser Thematik und dieser Figur dann mit den Mitteln des Hörspiels oder des Podcasts zu nähern, ist natürlich klasse. Denn das Kino entsteht tatsächlich zwischen den Kopfhörern und lässt einen da nicht raus. So ging es mir zumindest, als ich die Drehbücher las. Das war schon ein Pageturner für mich und insofern ist dieses Medium Hörspiel-Podcast schon ein sehr zwingendes. Das ist schon klasse.

Wir verraten, glaube ich, nicht zu viel, wenn wir sagen, dass die Hörer*innen etwas länger auf ihren Auftritt als Alfred warten müssen. Die Vaterfigur nimmt erstmal Vater Wayne, der überraschenderweise noch am Leben zu sein scheint, selbst ein. Was hatte das für einen Einfluss für ihre Ausgestaltung der Rolle, auch im Verhältnis zu Batman? Ändert das nicht einiges an der Rolle des Alfreds als »Gewissen« und moralische Instanz des oft wütenden Vollwaisen Bruce Wayne, wie wir sie aus anderen Batman-Erzählungen kennen?

CMH: Das hat nicht wirklich Einfluss genommen, würde ich sagen. Wir wissen, dass Alfred, der in der Familie Wayne ein- und ausging, schon bevor der Boss geboren wurde, ein Freund auf Augenhöhe und immer mehr als ein Bediensteter war. Das hatte aber jetzt für die Ausgestaltung der Figur, so wie ich es geschrieben las, aber auch in meiner Performance, keine große Veränderungen nach sich gezogen.

Was haben Sie der Figur abseits vom Skript angedeihen lassen? Haben Sie für die Rolle an manchen Stellen Entscheidungen getroffen, wie Sie sie verkörpern wollen?

CMH: Also Nilz und mir war schon wichtig, dass diese Figur so eine gewisse Schrulligkeit hat, ohne es zu übertreiben. Da muss man in der Arbeit mit und vor Mikrophonen wirklich immer ganz vorsichtig sein und wirklich mit feinen Pinselstrichen arbeiten, weil nur ein bisschen zu viel, ist dann schon enorm zu viel. Hinzu kommt dieses Väterliche: In bestimmten Szenen wollten wir der Figur noch mehr Wärme geben, sodass Alfred nicht mehr nur eine Art moralische Instanz, ein fleischgewordenes Gewissen ist, sondern auch bester Freund und eben eine Art Vater. Dem trägt das Hörspiel, gerade auch in Flashbacks, Rechnung. Der Alfred ist in diesem Hörspiel eine schillerndere Figur als in so mancher Batman-Verfilmung, auch wenn er erst sehr spät auftritt. 

Die Rolle ist sehr eng an die Figur des Batman geknüpft. Wie eng haben Sie entsprechend bei der Entwicklung und Inszenierung der Figur mit Murathan Muslu zusammengearbeitet, der den Batman verkörpert und spricht?

CMH: Leider gar nicht. Das ist eine der traurigen Seiten unseres digitalen Zeitalters. Man steht nicht mehr wie früher noch gemeinsam als Ensemble um Mikrofone, die von der Decke hängen, herum und erlebt die Aufnahme gemeinschaftlich, indem man diese Texte in einer dialogischen Musik spricht. Jeder wird einzeln aufgenommen und das ist teilweise sehr traurig.

Es fokussiert allerdings die Arbeit dann auch sehr, weil man den Regisseur, den Autor, den Producer, oder wer auch immer noch mit im Studio ist, ganz für sich alleine hat. Das ist dann vielleicht so die sonnige Seite der Schattenseite, die zweite Seite der Medaille. Was ich damit sagen will: Ich stand mutterseelenallein da und musste mir Murathan Muslu vorstellen. Dafür hat mir dann Nilz Bokelberg die Texte quasi angesprochen. Das ist dann auch eine größere Herausforderung, dieses dialogische Momentum, was es am Ende haben muss, zu erzielen. Es darf ja nicht so klingen, als würde ich jetzt hier nur meine Lines aufsagen.

Würden Sie sagen, dass dementsprechend dem Drehbuch und auch dem Regisseur dadurch eine größere Bedeutung in einer solchen Produktion zukommt?

CMH: Ich war auf jeden Fall von den Texten und von dem Skript sehr begeistert und muss sagen, dass das auch wirklich sehr, sehr toll ins Deutsche übertragen wurde. Was die Hörer*innen da hören werden, geht schon teilweise über die Schmerzgrenze und das Erträgliche hinaus, weil die Autorinnen und Autoren lassen hier ehrlicherweise nichts aus. Ich habe das beim Lesen schon gemerkt, weil ich zwischendurch mal das Buch einfach weglegen und kurz Luft zu holen musste. Verfilmen lässt sich das, glaub ich, kaum. Ich wüsste gar nicht, was für eine FSK der Film dann haben müsste. Fürs Hörspiel ist das allerdings ein gefundenes Fressen. Hier wird viel auf der Sound-Ebene stattfinden und in den Hirnen der Hörer*innen für das ein oder andere Feuerwerk sorgen.

Was nehmen Sie persönlich aus der Arbeit an diesem Projekt mit?

CMH: Es hat mir großen Spaß gemacht, mal mit und unter Nilz Bokelberg zu arbeiten. Und: Man muss keine Angst davor haben, sich solchen ikonischen Stoffen, wie Batman, mit den Mitteln des Hörspiels und des Podcasts zu nähern. Das hat seine eigene Existenzberechtigung und ich glaube, das Medium, nach allem, was ich bisher so mitbekommen und gehört habe, muss sich nicht verstecken vor den Mitteln des Kinos.

DC plant weitere solcher Hörspiel-Inszenierungen. Werden wir Sie also in Zukunft nochmal oder sogar öfter in der Rolle des Alfred hören?

CMH: Das müssen Größere als wir sagen (lacht). Das habe ich nicht zu bestimmen. Ich stünde zur Verfügung, wenn die Drehbücher diese Qualität behalten. Und es würde mich wundern, wenn es nicht weitergehen würde, weil ich glaube, hier ließe sich die eine oder andere Facette von Bruce Wayne, die vielleicht noch nicht so eindeutig erzählt wurde, bestimmt in Hörspielen noch bedienen.

Sind in nächster Zeit noch weitere Audio-Projekte bei Ihnen geplant?

CMH: So spezieller Natur wie das, über das wir hier gerade reden, jetzt erst mal nicht. Ich komme jetzt gerade aus dem Hörbuchstudio, habe jetzt weitere auch auf dem Tisch liegen und ich bin mir jetzt nicht sicher, ob ich über die schon reden darf. Aber das werden sie auf jeden Fall dann mitkriegen. Das sind dann eher Hörbuch- und Hörspiel-Geschichten. Das, was wir jetzt hier bei Batman gemacht haben, war für mich ein Ausflug in seine und eine ganz andere, eigene Welt. Und es wäre natürlich klasse, wenn wir die Hörerinnen und Hörer mit dieser Welt, die wir da kreiert haben, abholen könnten und faszinieren könnten.

Foto von Christoph Maria Herbst: © Christian Hartmann

Batman unter Toten Podcast Cover
»Batman unter Toten« ist ein Spotify Original in Zusammenarbeit mit Pool Artists. Jeden Dienstag erscheint eine neue Folge.

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Maximilian Lembke

Mausert sich vom Podcast-Fan zum Redakteur. Bewegt sich meist irgendwo zwischen Flaschenpost und Feuilleton, zu lesen im MIXDOWN-Newsletter oder hier im Blog.

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