01.07.2022
Denise Fernholz

»Climate Crime«: Wie Louisa Dellert und Markus Ehrlich True Crime mit Klima verbinden

Louisa Dellert und Markus Ehrlich über den Podcast »Climate Crime«

Das erste Mal mit Louisa Dellert telefoniert habe ich, als sie 2019 mitten in ihrem ersten richtigen Shitstorm steckte. Sie hatte damals bei Instagram eine Art Crowdfunding gestartet, um ihre journalistische Arbeit zu finanzieren. Ich arbeitete damals noch bei NEON und wollte mit ihr darüber sprechen, wie es ist, den Follower:innen nichts recht machen zu können. Als ich vor ein paar Wochen wieder mit Louisa telefoniert habe, um mit ihr und ihrem Co-Host Markus Ehrlich über den neuen Podcast »Climate Crime« zu sprechen, musste ich wieder daran denken. Und wie absurd der Shitstorm aus heutiger Sicht ist. Mittlerweile ist es ganz normal, dass Influencer:innen bei Twitch oder YouTube kleine Spenden von ihren Fans bekommen. Ohne, dass sie gesellschaftlich relevanten Content machen.

Aber zurück zum Podcast. Der verbindet ein gesellschaftlich sehr relevantes Thema mit einem Genre, das in Deutschland und der Welt immer noch durch die Decke geht: Klimakatastrophe und True Crime. Als ich die erste Folge gehört habe, dachte ich: Wieso ist da eigentlich vorher keiner drauf gekommen?! Jede Woche beleuchten Louisa und Markus ein anderes Verbrechen an Mensch, Natur oder Tier. Von der Welpenmafia über Kindersklaven bis Fast Fashion. Im Interview verraten sie, wie es ist, sich mit so schlimmen Verbrechen auseinanderzusetzen, welche Rolle Social Media für sie spielt und wie sie ihre Werbepartner:innen auswählen.



Interview mit Louisa Dellert und Markus Ehrlich über den Podcast »Climate Crime«

Wie seid ihr darauf gekommen, Naturkatastrophen und Umweltschutz mit True Crime zu verbinden?

Louisa: Ich spreche ja schon seit Jahren über die Klimakrise und probiere, immer wieder so viele Menschen wie möglich für das Thema zu sensibilisieren. In letzter Zeit habe ich immer wieder gemerkt, dass ich in meiner eigenen Bubble hänge und dass ich es schaffen möchte, über diese Zielgruppe hinaus Menschen zu erreichen. Und ich fand schon immer das Format True Crime spannend. Da habe ich mir gedacht, es gibt so viele Verbrechen an Mensch, Tier oder auch der Natur, die gar nicht besprochen werden, weil es meist keinen Schuldigen per Gesetz gibt.

Hattet ihr eine Pilotfolge aufgenommen?

Markus: Tatsächlich ist es bei uns ein bisschen anders gewesen. Wir sind mit unserem Konzept zu Audio Now gegangen und die waren sofort Feuer und Flamme. Deswegen mussten wir keine Pilotfolge aufnehmen. Aber wir haben in unser Konzept einen Papierpiloten geschrieben. Das Setting im Podcast ist jetzt tatsächlich ein bisschen anders, als es in unserem Papier stand. Eigentlich war es gar nicht geplant, dass Lou und ich das zusammen machen. Eigentlich wollten wir einen Angehörigen der Boomer-Generation, einen älteren prominenten Mann. Unsere Idee war, dass sie so unterschiedliche Lebensrealitäten haben, dass es zwischen denen auch mal krachen kann. Nach ein paar Probeaufnahmen haben wir uns aber dagegen entschieden, weil wir uns nicht so richtig wohlgefühlt damit haben. Ich bin in die Rolle reingestolpert.

Louisa: Wir haben vorher schon immer in meinem anderen Podcast zusammen über relevante Themen diskutiert und dafür immer gutes Feedback bekommen.

Der Podcast ist ja so schon keine leichte Kost. Wenn ich mir vorstelle, dann wäre noch ein Boomer dazwischen, der ständig anderer Meinung ist – ich weiß nicht, ob ich das ertragen hätte.

Louisa: Ja, auch Markus und ich haben natürlich verschiedene Sichtweisen. Das finde ich auch wichtig. Aber ich glaube, wir können gut auch auf Augenhöhe miteinander darüber sprechen. Und es ist trotzdem angenehm, uns zuzuhören, wenn wir in die Diskussionen gehen.

Markus: Was den Produktionsprozess angeht, ist es natürlich wahnsinnig dankbar, dass ich es geworden bin, weil ich sowieso Teil des Projekts und in die Recherchen eingebunden bin. Wenn man da jetzt eine weitere Person dazwischen setzen würde, wäre es eine weitere Person, auf deren Interessen wir achten müssen, auf deren Welt. Es hat sich ausgezahlt, nicht auf die Reichweite zu setzen und sich bewusst dafür zu entscheiden, nicht mit einem Prominenten zu arbeiten, weil wir einfach gemerkt haben, das matcht nicht und schadet am Ende dem Projekt.

Ihr habt schon vor der ersten Folge mit einem Instagram-Channel angefangen, der mittlerweile fast 16.000 Follower:innen hat. Welche Rolle spielt Social Media in eurer Marketingstrategie?

Louisa: Social Media ist super wichtig für uns, weil wir da viele Sachen, über die wir im Podcast sprechen, noch mal ganz anders aufarbeiten können. Bei Podcasts ist es ja immer noch so, dass die Hörer:innen bewerten, aber nicht direktes Feedback abgeben können. Dafür ist dieser Account da, um in den Austausch gehen zu können. Und wir können dort Bilder zeigen, zum Beispiel von Sabrina, dem geretteten Hund aus der ersten Folge.

Dazu muss ich aber sagen, den Account gab es schon vorher für einen anderen Podcast von mir, in dem ich über Umweltthemen gesprochen habe, den es mittlerweile aber nicht mehr gibt. Weil die Zielgruppe sehr ähnlich ist, haben wir den Account weitergeführt und umbenannt. Und das hat funktioniert: Es haben so 300 entfolgt, als wir die Ankündigung gepostet haben, aber ansonsten sind die Follower:innen geblieben.

Ihr recherchiert für euren Podcast zu schrecklichen Themen. Wie schafft ihr es, dabei nicht zu verbittern?

Markus: Gar nicht. Das ganze Team ist nach jeder Folge komplett am Arsch, das ist gar nicht so leicht. Bei so mancher Aufnahme sitzt man da im Studio und denkt sich: Was sage ich jetzt dazu? Das ist tatsächlich nicht so leicht für alle Beteiligten. Aber gleichzeitig sind diese Themen wichtig und die müssen einer breiten Masse zugänglich gemacht werden, damit ein Umdenken in den Köpfen stattfindet. Es tut weh, aber wir müssen da einfach durch.

Warum habt euch dazu entschieden, keine Host-read Ads zu machen?

Markus: Wir sperren uns nicht per se gegen Host-reads, aber wir wollen ein Mitspracherecht, wer diese Werbekund:innen sind. Es wäre ja total kontraproduktiv, wenn wir zum Beispiel eine Folge zum Thema Ölpest machen – und dann kauft sich ein Ölgigant in unseren Podcast, das wäre sehr unpassend. 

Ich habe mich auch schon gefragt, wie ihr sicherstellt, dass eure Werbekund:innen kein Greenwashing durch euch betreiben?

Louisa: Deswegen sind wir vorher in den Austausch mit der Audio Alliance gegangen, damit wir schon mal ein paar Partner aussortieren können. Das ist mir wichtig, auch weil ich jeden Tag in dem Bereich arbeite. Aber zu 100 Prozent können wir es nicht ausschließen.

Markus: Wir können natürlich nicht neben unserer Arbeit von jedem Werbepartner die komplette Unternehmenshistorie recherchieren und uns die Geschäftsberichte der letzten zehn Jahre zeigen lassen. Aber wir schauen natürlich nach bestem Wissen und Gewissen darauf: Was macht diese Firma? Ist die seriös? Meint sie es ernst mit dem Klimaschutz? Im Journalismus würde man jetzt sagen: Anzeigengeschäft und inhaltliche Arbeit sind getrennt und haben nichts miteinander zu tun. Da wissen die Leute, die schreiben, nicht, wer wirbt. Aber wenn ich jetzt bei der SZ arbeiten und ein Artikel über Umweltsünde X schreiben würde, und dann würde die Firma Y, die dafür verantwortlich ist, auf dieser Seite werben, würde ich mich verarscht fühlen. Die Trennung von Werbung und Inhalt ist ein heikles Thema in allen Medien – und natürlich auch bei Podcasts.

Ihr beide habt zusammen die Produktionsfirma Bright + Bolder Media gegründet, richtig?

Louisa: Zusammen mit Paula. Wir sind zu dritt.

Ich habe leider nicht so viel über eure Firma gefunden. Vielleicht könnt ihr kurz erzählen, was ihr da eigentlich so macht.

Markus: Da triffst du einen wunden Punkt. (lacht) Wir haben die Firma Anfang des Jahres gegründet und uns auf die Fahnen geschrieben, dass wir jungen journalistischen Content machen wollen – auf allen Plattformen. Das heißt nicht nur Podcasts, sondern auch Social Media und Fernsehen. Und zwar gut. Und zwar auf Augenhöhe mit der Audience. Und zwar in Formaten, die Menschen zusammenbringen. Wir wollen es schaffen, zum Diskurs anzuregen und Menschen miteinander an einen Tisch zu kriegen. Wir arbeiten hinter den Kulissen schon ganz viel an weiteren Ideen. Bei all der inhaltlichen Arbeit, die wir die ganze Zeit machen, fehlt so ein bisschen die Öffentlichkeitsarbeit. Aber das kommt bald und dann findet man auch ein bisschen mehr über uns.

Was erwartet uns noch bei »Climate Crime«?

Louisa: Wir haben gestern erst zwei Folgen aufgenommen. In der einen geht es um das Ermorden von Walen. Das war für mich eine ganz schlimme Folge, weil ich so ein großer Wal-Fan bin. Ich musste mit den Tränen kämpfen. Es kommen aber auch noch Verbrechen, die Firmen einfach verkackt haben.

Markus: Die Hörer:innen erwartet ein bunter Blumenstrauß an Schweinereien, die unserem Planeten, Tieren und Menschen angetan werden. Und es ist ganz oft so, dass den Preis, den wir hier bei uns in Mitteleuropa nicht bezahlen wollen, andere zahlen. Ob das jetzt um Fast Fashion geht oder um Kindersklaven auf Kakaoplantagen. Unser Reichtum basiert auf dem Nacken von anderen Leuten. Und das ist wahnsinnig schrecklich und gleichzeitig wahnsinnig wichtig.

Darf ich noch eine Sache sagen? Wir haben darüber geredet, dass wir Leute mitnehmen und ihnen einiges an die Hand geben wollen. Es ist uns total wichtig, das nicht mit erhobenem Zeigefinger zu machen. Wir wollen nicht in unseren Folgen da sitzen und sagen: Du darfst nicht mehr bei H&M einkaufen oder Schokolade essen oder in den Urlaub fliegen. Sondern: Wir sind auch nicht perfekt. Lou und ich sind nicht die Oberlehrer, die alles richtig machen und euch sagen, was ihr alles falsch macht. Wir lernen in jeder Folge genauso viel dazu. Und da nochmal Props an dich, Lou: Ich könnte mir keine bessere Partnerin für diesen Podcast vorstellen, weil du so wahnsinnig wenig erhobenen Zeigefinger hast und offenherzig über Sachen sprichst, zugibst, dass du auch mal ein Shirt von H&M trägst, das aus Bangladesch kommt. Es ist so wahnsinnig erfrischend, sich mit dir über diese Dinge auszutauschen, weil du so ehrlich bist und weil du dich nicht geiler darstellst als du bist. Das wollte ich noch mal sagen.

Louisa: Danke, danke! Dazu muss ich sagen: Das war nicht abgesprochen. (lacht)

climate crime podcast cover mit Louisa Dellert
Jeden Freitag erscheint eine neue Folge »Climate Crime« bei Audio Now und überall, wo es Podcasts gibt.

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Denise Fernholz

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